… im Haus und in Bearbeitung

27. Mai 2024
von Christina Filbert
Buchcover von Franz Kafka, Der Verschollene

Wer im Portal nach Literatur sucht, der findet bei neuen Veröffentlichungen hin und wieder den Hinweis „Publikation im Haus und in Bearbeitung“. Finden Sie diese Information bei einer Recherche, sind Sie vermutlich enttäuscht. Für Mitarbeiter*innen des Hauses bedeutet es: Das Buch befindet sich im Geschäftsgang.

Jeden Tage erreichen im Schnitt über 10 000 neue Publikationen die Deutsche Nationalbibliothek (Online-Publikationen und gedruckte Werke). Material, das in physischer Form vorliegt, wird von Bereich zu Bereich innerhalb des Hauses transportiert. Jeder Arbeitsbereich hat genau definierte Aufgaben, damit das Werk am Ende archiviert und im Portal auffindbar ist. (Zum Weiterlesen: https://blog.dnb.de/schritt-fuer-schritt-zur-dauerhaften-archivierung/)

„Der Verschollene“ ist verschollen

Fotografie Franz Kafka circa 1923, Fotograf ist unbekannt
Fotografie Franz Kafka circa 1923, Fotograf unbekannt, CC BY-SA 4.0 File:Franz Kafka, 1923.jpg – Wikimedia Commons

Letztes Jahr verschickte eine Kollegin eine E-Mail mit der Frage, bei wem das Exemplar mit dem Titel „Der Verschollene“ von Franz Kafka zur Bearbeitung vorliegt. Die Mail richtete sich an Kolleg*innen des Bereichs Formalerschließung. Wir können intern anhand hinterlegter Informationen im Datensatz bei jedem Titel erkennen, wo sich das Werk innerhalb des Geschäftsgangs befindet.

Wer Franz Kafkas Werke gelesen hat, der weiß, dass sie Surrealismus und alptraumhafte Situationen beinhalten. Eine kafkaeske Situation für Bibliothekarinnen ist es, ein Werk zu verlieren. Auch wenn Herr Kafka nicht für seinen Humor berühmt war, dass der Titel „Der Verschollene“ kurzfristig verschollen war, lässt mindestens ein Schmunzeln zu.

Danach habe ich natürlich geprüft, ob das Exemplar bei mir im Büro zur Bearbeitung vorlag. Bei mir befand sich das Werk nicht – aber ein Happyend vorweg – das Buch war schnell gefunden und steht mittlerweile im Magazin.

Sand im Getriebe

Der Ausdruck "Sand im Getriebe" als Symbolbild
„Sand im Getriebe“ Grafik: Christina Filbert CC BY SA 3-0 DE

Tatsächlich kommt es hin und wieder vor, dass ein Buch gesucht wird. Alle Mitarbeiter*innen einer größeren Firma oder Institution kennen „den Sand im Getriebe“. Übrigens befinden sich im Bestand der DNB 16 Publikationen mit dem Titel „Sand im Getriebe“, eine weitere ist angekündigt.

Bibliothekarinnen haben einen hochentwickelten Ordnungssinn, bleiben aber Menschen. Manchmal scheint die Buchförderanlage ein Eigenleben zu führen und eine Lieferung ist nicht an der genannten Station gelandet. Ein andermal hat sich ein Problem bei einer Bearbeitung ergeben und das Werk muss noch einmal geprüft werden. Auch Anfragen können eine Suche innerhalb des Geschäftsgangs auslösen. Normalerweise findet sich das gesuchte Exemplar aufgrund unserer Arbeitsweise und Sorgfalt sehr schnell. Manchmal scheint es jedoch wie verhext zu sein und eine Suche ist erst mal nicht erfolgreich. Rätselhaft wenn ein Werk einen Tage später genau an der Stelle, wo man nachgeschaut hatte (oder doch nicht?), von einer Kolleg*in gefunden wird.

Das Haus verliert nichts

Vor einigen Jahren befand ich mich in einer ähnlichen Situation. Band zwei einer mehrteiligen Publikation lag zur Bearbeitung auf meinem Schreibtisch, Band eins war essentiell, um weiterarbeiten zu können. Er war „im Haus und in Bearbeitung“. Trotz Suche wollte sich das Buch nicht finden. Gegenüber einer erfahrenen Kollegin beschwor ich schwarze Löcher im Haus herauf, in denen Bücher verschwinden. Sie beruhigte mich damals mit dem Satz: Das Haus verliert nichts!

Ich werde mich nicht für jeden Kugelschreiber verbürgen, die ich selbst gerne mal in einem Regal oder im Büro einer Kolleg*in liegen lasse. Was aber Medienwerke angeht, da findet sich alles wieder – nur eben vielleicht einen Tag später als erhofft. Doch Bibliothekar*innen sind geduldige Menschen und am Ende werden Sie eine Beschreibung des Werkes im Portal vorfinden und das Buch steht am richtigen Platz in unserem Magazin, um von Ihnen bestellt zu werden.

Christina Filbert

ist im Bereich Bestandsaufbau und Formalerschließung der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt tätig. Sie ist Bibliothekarin und Autorin.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Buchcover: Fischer Taschenbuch

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