Japan – Wien – Leipzig

4. August 2022
von Julia Rinck

Provenienzgeschichten aus dem DBSM

Nur selten machen wir uns beim Museumsbesuch bewusst, wann, warum und durch wen museale Objekte Eingang in den Bestand gefunden haben und welche Vorgeschichten sie mitbringen. Hochaktuelle Fragen angesichts der intensiv geführten Restitutionsdebatte. Die Publikation „Tiefenbohrung. Eine andere Provenienzgeschichte“ erzählt die Geschichte des Deutschen Buch- und Schriftmuseums (DBSM) aus der Perspektive der Herkunft des musealen Kulturguts. In unserer Blogserie geben wir schon mal Einblicke in das Buch, das zur Frankfurter Buchmesse erscheinen wird.

Japanisches Buntpapier, um 1909. Foto: DNB

Die papierhistorische Sammlung des österreichischen Finanzbeamten Franz Bartsch (1836–1910) ist nicht nur eine der weltweit bedeutendsten Buntpapiersammlungen, sondern auch besonders interessant hinsichtlich der unterschiedlichen Provenienzen ihrer Objekte. Neben Buntpapieren, d.h. nach der Herstellung als handgeschöpfte oder maschinell gefertigte Bogen in verschiedensten Techniken als Flächendekor veredelte Papiere, umfasst die Kollektion auch zahlreiche Papiermuster und Ephemera europäischer oder japanischer Herkunft.

Japanische Papierkleidung, 1901. Foto: DNB / Stephan Jockel

Den Grundstock seiner Sammlung – vom japanischen Papiermuster bis zum europäischen Künstlerpapier – bilden die auf der Wiener Weltausstellung 1873 präsentierten asiatischen Papiermuster. […] Franz Bartsch gelingt es, „einen erheblichen Teil der ausgestellten japanischen und chinesischen Papiere für seine Sammlung zu erwerben“[1]. Neben Mustern japanischer Washi-Papiere sind vor allem Chiyogami, in verschiedenen Techniken veredelte Buntpapiere, sowie zahlreiche Anwendungsformen vom handgeschöpften Toilettenpapier über Papeteriewaren bis hin zu Papierkleidung vertreten.

Japanisches Toilettenpapier, 1897. Foto: DNB / Christine Hartmann

Im ausgehenden 19. Jahrhundert wendet sich Franz Bartsch als Sammler auch europäischen Papieren zu, künstlerische Buntpapiere seiner Zeitgenoss*innen werden sein Hauptsammelgebiet. Er trägt über 1.000 Blätter von etablierten Künstlern (u.a. Kolo Moser, Josef Hoffmann oder Otto Eckmann), von Buchbindern (Hugo Ochmann), aber auch von Gestalterinnen (u.a. Lilli Behrens, Elsa Gallwitz oder Helene Dolmetsch) zusammen. Neben österreichischen und deutschen Kunsthandwerker*innen finden sich auch zahlreiche Gestalter*innen aus anderen europäischen Ländern in seiner Kollektion. […]

Marmoriertes Papier von Erica von Scheel, 1908. Foto: DNB / Christine Hartmann

Auf den Blättern dokumentiert Franz Bartsch diese Provenienzen äußerst genau: Er vermerkt handschriftlich Angaben zur Herkunft, das Eingangsjahr, bisweilen auch Preisangaben und kennzeichnet die Papiere mit seinem Eigentums- bzw. Sammlungsstempel. Begleitet werden diese Angaben durch einen umfangreichen Zettelkatalog mit Querverweisen zu Gestaltern/-innen, Werkstätten und Verlagen – Beispiel einer sorgfältigen und umfassenden Sammlungsdokumentation par excellence.

Notizen des Sammlers Franz Bartsch auf Objekt-Rückseiten. Foto: DNB / Christine Hartmann

Franz Bartsch verstirbt am 26. November 1910 und vermacht „testamentarisch seine mehrere tausend Objekte umfassende Sammlung dem Deutschen Buchgewerbeverein Leipzig“[2]. Da die Bestände der umfangreichen Buntpapiersammlung im Keller des Buchgewerbehauses aufbewahrt wurden, überstehen sie den Zweiten Weltkrieg, in dem ein Großteil der übrigen Sammlungen zerstört wird. Als bedeutender Teil der Papierhistorischen Sammlungen steht die Bartsch-Sammlung der internationalen Forschung zur Verfügung und wird regelmäßig auch von Designer*innen als Inspirationsquelle genutzt.

Die Bartsch-Sammlung im Online-Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: https://d-nb.info/dnbn/1032061677

[1] Franz Bartsch: Papiersammler aus Wien. Rekonstruktion seiner Ausstellung Stuttgart 1909. Begleitmaterialien zur gleichnamigen Ausstellung, 5. Februar bis 18. April 1998 / Die Deutsche Bibliothek, Leipzig, Frankfurt am Main, Berlin. [Bearb./Red.: Frieder Schmidt ; Sigrid Feiler], S. 13.

[2] Ebd., S. 3.


Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Buch „Tiefenbohrung. Eine andere Provenienzgeschichte“: https://d-nb.info/1251502849.

Julia Rinck

Julia Rinck ist Kuratorin der Grafischen Sammlung und der Buntpapiersammlung im Deutschen Buch- und Schriftmuseum.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:DNB

2 Kommentare zu „Japan – Wien – Leipzig“

  1. Anonymous sagt:

    Gute Kooperation

    1. Julia Rinck sagt:

      🙂

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