Justin Steinfeld: „Califa oder Die Liebe zu einer Starkstromtechnikerin“
Im November 2023 traf ich mich in Hamburg mit Dr. Katharina Picandet, Verlegerin der Edition Nautilus. Unser Treffen hatte einen speziellen Grund, die Übergabe eines ganz besonderen Typoskriptes: Justin Steinfelds Roman Califa oder Die Liebe zu einer Starkstromtechnikerin. Der Autor ist kein Unbekannter. Spätestens seit der Neuausgabe seines Romans Ein Mann liest Zeitung (2020, Frankfurt a.M.: Schöffling & Co, hrsg. von Wilfried Weinke) erlebt er ein kleines Revival. Auch im Exilarchiv haben wir das Buch in einer Abendveranstaltung vorgestellt.
Justin Steinfeld wurde 1886 als Sohn jüdischer Eltern in Kiel geboren und wuchs in Hamburg auf. Dort wurde er Journalist, Theater- und Literaturkritiker. Er war Inhaber der Zeitschrift „Die Tribüne“ und Mitbegründer des „Kollektivs Hamburger Schauspieler“. Politisch stand Steinfeld der KPD nahe. Schnell geriet er ins Visier der Nationalsozialisten. 1933 wurde er im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert. Nach seiner Freilassung floh er nach Prag, wo er journalistisch tätig blieb. Mit Ausdehnung des Machtbereichs der Nationalsozialisten war Steinfeld in Prag nicht mehr sicher. Über Polen gelang ihm die Flucht nach Großbritannien. Dort wurde er interniert und nach Australien verschickt. 1941 konnte er nach England zurückkehren, wo er bis zu seinem Tod 1970 lebte.
Erst 1984, 14 Jahre nach Steinfelds Tod, erschien sein Roman Ein Mann liest Zeitung im Neuen Malik Verlag. Dass Justin Steinfeld einen weiteren Roman verfasst hatte, war bislang nicht bekannt. 1983 hatte Martin Bäuml, Steinfelds Neffe, dem Neuen Malik Verlag zwei Typoskripte übergeben. „Warum der Neue Malik Verlag nach der Veröffentlichung des ersten Romans den zweiten nicht herausgegeben hat, vermag ich heute nicht mehr eindeutig zu sagen“, schreibt Jo Hauberg, Gesellschafter des Neuen Malik Verlags, im Vorwort zu Justin Steinfelds Califa oder Die Liebe zu einer Starkstromtechnikerin 2023. Das Typoskript, dass Steinfeld 1955 verfasst hatte, blieb Jahrzehnte in der Schublade seines Schreibtisches verborgen. Jetzt hat die Edition Nautilus den Roman veröffentlicht und das Originaltyposkript an das Deutsche Exilarchiv 1933-1945 der Deutschen Nationalbibliothek übergeben.
Aus dem Inhalt:
Alles dreht sich um Califa, oder kurz: CLF. Die Militärführung in Nomandy, auf der anderen Seite des Ozeans, hat Zugriff auf das neue atomwaffenfähige Element – aber was ist mit Cistransatia, dem Gegner im Osten? In der aufgeheizten Stimmung eines geteilten Kontinents, auf dem sich die Weltmächte an den Zonengrenzen des seit dem Krieg besetzten Potatis nahekommen, scheint jede Entscheidung unkalkulierbare Konsequenzen zu haben. Die Börse in der Seestraße wird überraschend geschlossen, um auch die Währung an Califa zu koppeln, ein unruhevoller Abgeordneter wittert den Krieg und wird zum Problem, cistransatische Wissenschaftler entwickeln einen Gas-Abwehrschirm und leiten die Evakuierung in die unterirdische Hestermannstadt ein. Denn am Besprechungstisch im Politbüro muss dem »Alten« gebeichtet werden, dass in Cistransatia kein CLF vorhanden ist – doch das weiß in Nomandy niemand… (Quelle: Edition Nautilus)
Sylvia Asmus
Dr. Sylvia Asmus ist Leiterin des Deutschen Exilarchivs 1933-1945