Die Kunst der Bestandserhaltung

16. August 2024
von Heinz Haese

Die Konservierungswerkstatt in der DNB

In einer Welt, die zunehmend von digitalen Medien geprägt ist, bleibt das physische Buch ein unverzichtbarer Schatz der Kultur und des Wissens. Für die Deutsche Nationalbibliothek (DNB), die Jahrhunderte alte Werke beherbergt, ist die Bestandserhaltung von Büchern eine zentrale Aufgabe. Hierbei spielt die Konservierungswerkstatt eine entscheidende Rolle. Ihre Expertise gewährleistet, dass wertvolle Bücher über Generationen hinweg in einem lesbaren und stabilen Zustand bleiben.

Warum Bestandserhaltung so wichtig ist

Die DNB ist nicht nur Aufbewahrungsort für Bücher, sondern auch kultureller Hüter von Wissen und Geschichte. Viele Bücher hier sind nicht nur aufgrund ihres Inhalts von unschätzbarem Wert, sondern auch wegen ihres Alters und ihrer Seltenheit. Diese Werke sind oft die letzten verbliebenen Zeugnisse vergangener Epochen, und ihre Erhaltung ist von enormer Bedeutung.

Die Bestandserhaltung in der DNB geht weit über das einfache Lagern hinaus. Es umfasst präventive Maßnahmen, die darauf abzielen, den Verfall von Büchern zu verlangsamen, und konservatorische Maßnahmen, um beschädigte Werke wieder benutzbar zu machen. Hier kommt die Konservierungswerkstatt ins Spiel.

Der Beitrag der Konservierungswerkstatt zur Bestandserhaltung

In der Konservierungswerkstatt arbeiten Buchbinder und Restauratoren, sie sind verantwortlich für die Restaurierung und Konservierung von Büchern und anderen Medien. Ihre Arbeit erfordert nicht nur handwerkliches Geschick, sondern auch ein tiefes Verständnis für die Naturwissenschaften und die Materialien, aus denen Bücher bestehen, sowie die technischen, historischen und kulturellen Kontexte, in denen diese gebundenen Medien entstanden sind.

Die Konservierungswerkstatt spielt eine wichtige Rolle in der Deutschen Nationalbibliothek. Sie ist auf dem Foto in der Totale zu sehen: mit vielen Büchern, Pressen und Pappscheren.
In der Konservierungswerkstatt werden beschädigte Werke wiederhergestellt. Foto: DNB

1. Konservierung und Restaurierung – Die Konservierungswerkstatt als Arzt

Ein zentrales Aufgabengebiet für die Werkstattmitarbeiter in der DNB ist die Konservierung und Restaurierung beschädigter Bücher. Dies kann von der einfachen Rissschließung eines Blattes bis hin zur vollständigen Restaurierung eines beschädigten Einbands reichen. Die Mitarbeiter verwenden dabei traditionelle Techniken und Materialien, die dem Original so nahe wie möglich kommen, um den historischen Wert des Buches zu erhalten.

Zu den Aufgaben gehören auch die Reinigung von Medien von Schmutz und Schimmel. Dies ist besonders wichtig, wenn es darum geht, Medien zu reinigen, die möglicherweise mit Schimmel befallen sind, da die Sporen so nicht in die Luft gelangen und sich nicht auf andere Bestände ausbreiten.

2. Konservatorische Maßnahmen – Die Konservierungswerkstatt als Bodyguard

Neben der Behebung von Schäden spielt die Konservierungswerkstatt auch eine wichtige Rolle bei präventiven konservatorischen Maßnahmen. Dazu gehört beispielsweise die Herstellung von Schutzhüllen oder speziellen Lagerboxen für besonders empfindliche oder wertvolle Bücher. Diese maßgeschneiderten Schutzmaßnahmen helfen, Bücher vor schädlichen Umwelteinflüssen wie Licht, Feuchtigkeit oder mechanischen Belastungen zu bewahren. Ein wichtiger Punkt ist auch die Entfernung von bestandsschädigenden Materialien an den Objekten, wie etwa säurehaltige Klebstoffe und Klebebänder mit denen Beilagen angebracht wurden.

Regalgang voller grauer, alterungsbeständiger Kartonverpackungen, die von der Konservierungswerkstatt besorgt wurden.
Alterungsbeständige Faltschachteln in denen liegend Einzelhefte gelagert werden. Foto: DNB

3. Quarantäne und Schädlinge – Die Konservierungswerkstatt als Risikomanager

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Bestandserhaltung ist das integrierte Schädlingsmanagement (IPM, Integrated Pest Management), das auf die Prävention und Bekämpfung von Schädlingen abzielt, die Sammlungsobjekte beschädigen können. In Bibliotheken können Schädlinge wie Insekten oder Nagetiere großen Schaden anrichten, indem sie Papier, Leder oder Leim angreifen. Um dies zu verhindern, kombiniert die Konservierungswerkstatt verschiedene Methoden, darunter regelmäßige Inspektionen, klimatische Kontrollen und die Implementierung strenger Quarantäneprotokolle für neu eingehende Objekte.

Quarantänemaßnahmen sind besonders wichtig, um sicherzustellen, dass keine Schädlinge (wie Papierfischchen) in die Bestände eingeschleppt werden. Neuzugänge wie Nachlässe, Schenkungen usw. werden isoliert und auf Schädlingsbefall untersucht, bevor sie in den allgemeinen Bestand integriert werden. Im Falle eines Befalls kommen umweltfreundliche und materialschonende Methoden wie Gefrierbehandlungen oder kontrollierte Atmosphären zum Einsatz, um die Schädlinge zu eliminieren, ohne die Bücher zu beschädigen. Eine lückenlose Arbeitsweise ist hier unerlässlich, um die wertvollen Bestände dauerhaft zu schützen.

4. Notfallversorgung – Die Konservierungswerkstatt als Katastrophenschutz

Trotz aller präventiven Maßnahmen können unvorhergesehene Katastrophen wie Wasserschäden oder Brände erhebliche Schaden verursachen. In solchen Notfällen ist eine schnelle und effektive Notfallversorgung entscheidend, um die Zerstörung vom Bibliotheksbestand zu minimieren. Die Konservierungswerkstatt spielt eine zentrale Rolle bei der Rettung und Wiederherstellung beschädigter Werke.

Zu den ersten Maßnahmen nach einer Havarie gehört die schnelle Trocknung von durchnässten Büchern, um Schimmelbildung zu verhindern. Hierbei kommen spezielle Verfahren wie Gefriertrocknung zum Einsatz, die das Wasser aus den Büchern entfernt, ohne die empfindlichen Materialien zu schädigen. Außerdem werden betroffene Medien stabilisiert, lose Teile fixiert, die Struktur der Objekte bewahrt.

Darüber hinaus entwickelt die Konservierungswerkstatt Notfallpläne, die genaue Anweisungen für den Umgang mit beschädigten Medien in Krisensituationen enthalten. Diese Pläne beinhalten auch die Bereitstellung von Notfallkits und die Schulung des Personals im richtigen Umgang mit gefährdeten Beständen. Durch solche vorbereitenden Maßnahmen kann die DNB sicherstellen, dass sie im Falle einer Havarie schnell und effektiv reagieren kann, um wertvolle Werke zu retten.

Ein altes Buch mit Wasserschaden, es ist trocken, vom Kopfschnitt her ist Wasser ins Buch eingelaufen, das Papier ist wellig und dunkel verfärbt. Das Buch müsste nachträglich in der Konservierungswerkstatt behandelt werden.
Ein unbehandelter Wasserschaden an einem alten Buch, das Papier ist wellig und verfärbt, beeinträchtig die Benutzung und kann weitere Schäden an Buchblock und Buchdecke verursachen. Bei einer Havarie muss schnell gehandelt werden, dabei spielt die Konservierungswerkstatt eine entscheidende Rolle. Foto: DNB

5. Nachhaltigkeit und langfristige Erhaltung – Die Konservierungswerkstatt als Langzeitentwickler

Mit Hilfe der Konservierungswerkstatt werden langfristige Strategien zur Bestandserhaltung entwickelt. Sie berät bei der richtigen Lagerung von Büchern und bei der Auswahl von Materialien, die eine lange Lebensdauer gewährleisten. Durch die Verwendung von säurefreien Papieren, alterungsbeständigen Folien und reversibler Verwendung von Leimen tragen sie dazu bei, dass restaurierte Bücher auch in Zukunft stabil und sicher bleiben.

Fazit: Ein unverzichtbarer Beitrag zur Kultur

Die Konservierungswerkstatt spielt eine entscheidende Rolle und leistet einen unschätzbaren Beitrag zur Erhaltung des kulturellen Erbes, welches in der DNB aufbewahrt wird. Durch ihre Arbeit wird sichergestellt, dass Bücher nicht nur als Träger von Wissen, sondern auch als physische Objekte der Kulturgeschichte für kommende Generationen erhalten bleiben. In einer Zeit, in der digitale Medien dominieren, leistet die Konservierungswerkstatt einen wichtigen Beitrag, das bibliophile Erbe unserer Vergangenheit zu bewahren, zu schützen und weiterhin zugänglich zu machen.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:DNB

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