Leben im Exil

19. Oktober 2021
von Theresia Biehl

Dem Thema Exil zwischen 1933 und 1945 Sichtbarkeit in der breiten Öffentlichkeit verschaffen, das ist ein zentrales Anliegen der kulturellen Vermittlungsarbeit des Deutschen Exilarchivs 1933–1945. Anfang August sind wir daher mit der virtuellen Ausstellung „Leben im Exil“ in die Digitale Kunsthalle von ZDFkultur eingezogen. Bis Januar 2023 zeigen wir dort ausgesuchte Objekte und Dokumente aus unserer Sammlung und zeichnen die Lebenswege von neun Personen nach, die aufgrund ihrer jüdischen Herkunft oder politischen Haltung während der NS-Zeit zur Flucht aus Deutschland gezwungen waren.

Die Ausstellung ist entstanden als Kooperationsprojekt. In regelmäßigen Redaktionssitzungen haben wir gemeinschaftlich mit den Kolleg*innen von ZDFkultur ein Konzept entwickelt und geschärft. Wichtig war uns, das Exil zwischen 1933 und 1945 als individuelle historische Erfahrung darzustellen und die Vielzahl der Perspektiven verschiedener Lebensgeschichten und -zeugnisse abzubilden. Zugleich sollte anhand von Sammlungsstücken ganz unterschiedlicher auch materieller Ausprägung die Erfahrung des Exils konkret gemacht und die Vielfalt der Überlieferung abgebildet werden. Schließlich war unser Anliegen, neben berühmten Persönlichkeiten, die durch ausgesuchte Exponate präsent sind, auch weniger bekannte Protagonist*innen in den Fokus zu rücken. Wir schließen damit eng an das Konzept unserer Dauerausstellung „Exil. Erfahrung und Zeugnis“ an. Im virtuellen Foyer der Ausstellung vergegenwärtigt ein Wandzitat von Dr. Sylvia Asmus, der Leiterin unseres Archivs, noch einmal das multiperspektivische Konzept: „Exil bedeutet auf der einen Seite Abschied, Traumatisierung, Verlust, Zurücklassen, es bedeutet aber auch Neues kennenlernen, Aufbruch, Ideen entwickeln.“

Die von engen, labyrinthischen Gängen geprägte Ausstellungsarchitektur hat ZDFkultur entwickelt und umgesetzt. Sie soll die Suche nach Zuflucht und die beklemmenden Situationen eines rastlosen Daseins widerspiegeln.

Treten wir also ein, in das virtuelle Ausstellungsfoyer:

Screenshot des virtuellen Foyers der Ausstellung „Leben im Exil“ in der Digitalen Kunsthalle
Die Ausstellung „Leben im Exil“ in der Digitalen Kunsthalle betritt man über ein virtuelles Foyer. Bild: ZDF

Wir begegnen den Protagonist*innen der Ausstellung in großformatigen Porträts. Auf einem Globus in der Mitte des Raumes sind außerdem ihre Zufluchtsländer markiert. Auch ein Fernsehbeitrag aus dem ZDF heute journal über die Dauerausstellung des Exilarchivs ist in diesem virtuellen Foyer verfügbar. Über verwinkelte Flure gelangen wir in fünf Ausstellungsräume. Hier begegnen wir den Lebensgeschichten von Irma und Hanns W. Lange, Mutter und Sohn; von den Antifaschist*innen Hubertus Prinz und Helga Prinzessin zu Löwenstein; dem Schriftsteller Walter Meckauer sowie dessen Frau Lotte und Tochter Brigitte; dem Fotografen Eric Schaal und der späteren Bestsellerautorin Stefanie Zweig.

Um die Geschichten der neun Personen zu erzählen, haben wir mehr als 70 Objekte aus unserer Sammlung ausgewählt, darunter Briefe von Thomas Mann und Albert Einstein, Fotografien berühmter Persönlichkeiten, Dokumente und Tagebücher sowie seltene Objekte und berührende Erinnerungsstücke. Einige der gezeigten Exponate sind im Original in unserer Dauerausstellung zu sehen, viele wurden eigens für die virtuelle Ausstellung „Leben im Exil“ ausgesucht. Jedes Stück wird durch erläuternde Beschreibungen erschlossen. Darüber hinaus lassen Hörpassagen, die von professionellen Sprecher*innen eingelesen wurden, einzelne Exponate und ihre Geschichten auf besondere Weise lebendig werden.

Ein weiteres Highlight der virtuellen Schau sind Fotogrammetrien einiger Sammlungsstücke. Sie wurden vom ZDF speziell für die Ausstellung angefertigt ─ etwa vom Koffer Walter Meckauers, den hölzernen Antilopen Stefanie Zweigs oder der Tasche Irma Langes und ermöglichen eine ganz unmittelbare Betrachtung dieser Objekte.

Anfertigen einer Fotogrammetrie des Koffers von Walter Meckauer
Das ZDF fertigt im Exilarchiv eine Fotogrammetrie des Koffers von Walter Meckauer an. Per Klick auf das Foto ist das Ergebnis in der Digitalen Kunsthalle zu betrachten. Foto: Deutsche Nationalbibliothek, Theresia Biehl, CC BY-DE 3.0
Anfertigen einer Fotogrammetrie der Holz-Antilopen von Stefanie Zweig.
Auch die hölzernen Antilopen von Stefanie Zweig werden als Fotogrammetrie aufgenommen. Für die 360°-Aufnahme stehen sie auf einem Drehteller. Per Klick auf das Foto sind sie in der Digitalen Kunsthalle zu betrachten. Foto: Deutsche Nationalbibliothek, Theresia Biehl, CC BY-DE 3.0

Ergänzend hat das ZDF Filmmaterial aus seinen Archiven in die Ausstellung integriert, darunter zwei Interviews mit der Autorin Stefanie Zweig. Zur Fertigstellung der Ausstellung resümierte Ralf Schmitz, verantwortlicher Redakteur beim ZDF: „Gibt es ein aktuelleres Thema, mit dem sich die Digitale Kunsthalle in den gesellschaftlichen Dialog einmischen kann?“ Bis Januar 2023 ist die Ausstellung „Leben im Exil“ bei ZDFkultur zu sehen und möchte informieren, erinnern, zum Nachdenken und Diskutieren anregen unter: digitalekunsthalle.zdf.de/exilarchiv

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:ZDF

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