Michael Fernau zum Abschied

31. Juli 2023
von Elisabeth Niggemann, Frank Scholze und Ute Schwens

In diesen Tagen beendet Michael Fernau seinen aktiven Dienst in der Deutschen Nationalbibliothek – Zeit noch einmal zurückzublicken.

Porträt von Michael Fernau
Michael Fernau
Foto: Johanna Baschke

Michael Fernaus Interesse für das Thema Schrift-, Text- und Buch-Kultur lässt sich schon beim Abiturienten 1974/75 erkennen: In seiner Hausarbeit beschäftigte er sich mit dem Thema „Schriftgestaltung für ein Plakat zur Kunst-Ausstellung der Christian Würth Schule in Usingen im Taunus“, zudem wurde ihm im Abiturzeugnis „künstlerisches und redaktionelles Geschick“ bei der Herausgabe der Schülerzeitung bestätigt.

Erst einmal lernte er jedoch etwas „Gescheites“ – er studierte Jura und trat nach dem zweiten Staatsexamen in den Finanzdienst des Landes Hessen ein, zuerst in der Oberfinanzdirektion Frankfurt, wo er von 1989 bis 1997 beschäftigt war, danach am Finanzamt Hanau und zuletzt als Vorsteher des Finanzamtes in Gelnhausen.

Zum 1. April 2001 wechselte er dann zur Deutschen Nationalbibliothek – bis Anfang 2008 als Leiter der Zentralabteilung Verwaltung und seit Februar 2008 als Direktor der Deutschen Nationalbibliothek und ständiger Vertreter der Generaldirektorin in Leipzig. So ist das Jahr 2023 auch ein persönliches Jubiläumsjahr für ihn: 22 Jahre Deutsche Nationalbibliothek für Michael Fernau neben 33 Jahren Vereinigung der beiden Häuser und 111 Jahren Bestehen der Deutschen Nationalbibliothek.

Michael Fernau war immer ein Mann der Balancen, der den Sinnspruch Ciceros aus De Officiis in der Praxis umsetzte: Summum ius, summa inuria (Höchstes Recht ist höchste Ungerechtigkeit).

Recht kann eben nicht eindimensional gedacht werden. Es kann entweder auf Einzelfallgerechtigkeit abzielen, dann leiden Sicherheit und Voraussehbarkeit des Rechts. Oder es hält starr an einmal fixierten Regeln fest, dann geraten Situationen aus dem Blick, in denen sie nicht passen. Man muss also versuchen, eine Balance herzustellen. Das setzt einen schwierigen Abwägungsprozess voraus. Richtig und falsch gibt es dabei nicht. Genau diese Abwägungsprozesse hat Michael Fernau niemals gescheut – und er hat sie bei vielen Themen in der Deutschen Nationalbibliothek zum Nutzen der Institution und aller Kolleg*innen eingesetzt. Zum Beispiel beim 4. Leipziger Erweiterungsbau, der ab 2010 bezogen wurde, aber auch beim Umzug des Deutschen Musikarchivs (DMA) von Berlin nach Leipzig, dessen Leitung er zwischen Dezember 2010 und Juni 2016 ebenfalls innehatte. Seit Januar 2015 war er innerhalb der Generaldirektion der Ansprechpartner für den Fachbereich Benutzung und Bestandsverwaltung, den Fachbereich Informationsinfrastruktur sowie für die Abteilungen Deutsches Buch- und Schriftmuseum (DBSM) und Deutsches Exilarchiv 1933–1945 (DEA). Auch die Provenienzforschung an der Deutschen Nationalbibliothek hat er konsequent aufgebaut und konnte sie ab 2019 mit einer Referentin vorantreiben.

Sein letztes großes Projekt begleitete er bis zum letzten Tag mit großer Energie und Begeisterung – den 5. Leipziger Erweiterungsbau, bei dem wir ganz aktuell die Freigabe der Initialen Projektunterlage (IPU) erhalten haben. Ein wichtiger Meilenstein für die Zukunft, denn auch heute noch sammelt die DNB zwischen 3000 und 4000 analoge Medienwerke pro Arbeitstag. Dies entspricht einem Zuwachs von rund 3 Regalkilometern an jedem der beiden Standorte. Und schon jetzt reichen die Magazinflächen in Leipzig nicht mehr aus.

Ein wichtiges historisches Projekt konnte er noch abschließen: „Kulturspeicher und Wissensordner im post-extremen Zeitalter. Eine transnationale Geschichte der Deutschen Bibliothek Frankfurt am Main 1946-1990“. Dieses Buch der Freiburger Historikerin Helke Rausch wird zur Frankfurter Buchmesse 2023 erscheinen und die bisherigen Werke zur Geschichte der Deutschen Nationalbibliothek, nämlich zur Geschichte der Deutschen Bücherei während des Nationalsozialismus (von Sören Flachowsky „Zeughaus für die Schwerter des Geistes“), sowie für die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg bis zur Wiedervereinigung (von Christian Rau „‘Nationalbibliothek‘ im geteilten Land“), komplettieren.

So wie bei allen von Michael Fernau betreuten Projekten waren auch bei seinen regulären Arbeitsschwerpunkten seine Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit, seine Ausdauer und Energie die Garanten für beste Arbeitsergebnisse. Dank hoher Kreativität und großer Offenheit hat er immer wieder innovative und gleichzeitig solide Lösungsansätze entwickelt. Aber auch wegen seiner Zuverlässigkeit, seiner außerordentlichen Sorgfalt und seinem profunden Fachwissen wird er von der Generaldirektion, von seinen Kolleg*innen im strategischen Leitungsteam, im Führungskreis, als Ansprechpartner der örtlichen Personalvertretung und von seinen direkten Mitarbeiter*innen überaus geschätzt. Loyalität, Mitmenschlichkeit, Fairness und Integrität zeichnen ihn als Mensch und Kollegen aus.

Wir danken Michael Fernau für seinen großen Einsatz für die Deutsche Nationalbibliothek und wünschen ihm Gesundheit, Freude und weitere Abenteuer genauso wie die Bewahrung seines jungenhaften Witzes, der Begeisterung für Altes und Neues und seiner optimistischen Grundhaltung!

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Johanna Baschke

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