Plakatsammlung Zweiter Weltkrieg

5. Dezember 2024
von Anne-Katrin Kreisel

in Zusammenarbeit mit Maja Hetmank, Yvonne Jahns und Julia Rinck

Die Plakatsammlung Zweiter Weltkrieg im Buchmuseum der Deutschen Nationalbibliothek stellt beispielhaft die Entwicklung der Plakatgestaltung des Zeitraums 1939-1945 dar und ist heute in ihrer Dichte eine bedeutende historische Quelle von Originalmaterialien wie Bildplakaten, Flugblättern, Anschlägen und Handzetteln.

Geschichte der Sammlung

Die Deutsche Bücherei Leipzig[1] begann im Ersten Weltkrieg eine Sondersammlung „aller auf den Krieg, seine Vorgeschichte und seinen Verlauf bezüglichen Druckwerke“[2]. Nach diesem Vorbild sollte auch für den Zweiten Weltkrieg eine Sammlung angefertigt werden. Der Beschluss wurde in einem Informationsblatt zur Kriegssammlung im September 1939 bekanntgegeben. In diesem heißt es: „Gesammelt wird das gesamte mit dem Krieg zusammenhängende deutsche und fremdsprachige Schrifttum des Reiches und der besetzten Gebiete, insbesondere Extrablätter, Flugblätter und Fliegerabwürfe, Feld-, Soldaten- und Gefangenenlager-Zeitungen und -Zeitschriften, Bekanntmachungen, Plakate, Maueranschläge und sonstige aus Anlaß [sic] des Krieges erscheinende Gelegenheitsdrucke.“[3]

Neben Bildplakaten umfasst die Sammlung tausende textbasierte Plakate, Anschläge, Flugblätter und Handzettel. Foto: DNB, Maja Hetmank.

Die heute noch vorhandene Sammlung umfasst ca. 6.000 Blätter aus der Zeit von 1933-1945, insbesondere Plakate und Maueranschläge.[4] Sie handeln von Themen zur Regierung, NSDAP, Parteien und Wahlen, Justiz, Wehrmacht, Wirtschaft, Gesellschaft, Propaganda, Truppen- und Formationsgeschichte sowie zu Kriegsschauplätzen, Feldzügen und zur deutschen Besatzung.[5]

Im Gegensatz zum Ersten Weltkrieg sollte zum Aufbau der Sammlung zunächst keine großangelegte Werbekampagne gestartet werden. Der Öffentlichkeit waren das Vorgehen und das Ziel der möglichst vollständigen Erfassung bekannt, weswegen lediglich Pressenotizen in zahlreichen Tageszeitungen und Fachblättern veröffentlicht wurden, mit dem Hinweis darauf, welches Material benötigt werde.  Zusätzlich eröffnete Anfang Dezember 1939 eine einmonatige Ausstellung aus beiden Kriegssammlungen, um die Wichtigkeit und Vielfältigkeit dieser darzustellen und die Mithilfe der Bevölkerung anzuregen.[6] Zudem war die Deutsche Bücherei der Aufsicht des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda unterstellt, was eine Abgabe je eines Druckexemplars etlicher Dienststellen per Anordnung ermöglichte.[7] Als der Eingang kriegsbedingt ins Stocken geriet, ergänzte der Erwerbungsleiter Albert Paust die Sammlung bei Beschaffungsreisen in die besetzten Gebiete.[8] Nach dieser Zeit nahm der Zulauf von Materialien weiter ab. Dies ist vor allem auf Personalmangel, das Kriegsgeschehen und die mangelhafte Zusammenarbeit mit amtlichen Stellen zurückzuführen.[9] Nach Ende des Zweiten Weltkrieges kam es zur Beschlagnahmung von Teilen der Plakatsammlung durch die Sowjetische Militäradministration, zur Abgabe an das Georgi-Dimitroff-Museum in Leipzig und von dort aus zur Verteilung in verschiedene Museen und Archive. 1993 wurden ca. 5.000 Blätter an die Deutsche Bibliothek zurückgeführt, weswegen die vorhandene Sammlung nur als Fragment bzw. Rumpfsammlung betrachtet werden kann.

Drei Bildplakate aus der Plakatsammlung Zweiter Weltkrieg. Fotos: DNB.

Achtung Spione. Vorsicht bei Gesprächen!

das Buch ein Schwert des Geistes. Frontbuchhandlung Fontainbleau

Schäm Dich, Schwätzer!

Erschließung

Eine Sichtung der Plakate erfolgte 1994 durch die zuständige Abteilung Sondersammlung. Erste Erschließungen fanden im Rahmen von Projekten der Anne-Frank-Shoah-Bibliothek statt, welche Teil der Deutschen Nationalbibliothek ist. In den Folgejahren fand eine vollständige Erschließung auf Konvolutebene sowie zahlreicher Einzelblätter im Rahmen studentischer Projekte statt, insbesondere mit der HTWK Leipzig und der Universität Gießen.

Die Sammlung ist über den Online-Katalog der Deutschen Nationalbibliothek recherchierbar: Plakatsammlung Zweiter Weltkrieg (Systematik)

Eine vollständige Digitalisierung der Sammlung ist geplant.

Bearbeitung und Erschließung von Plakaten im Rahmen eines Praktikums. Foto: DNB.

Themen und Beispiele

Die Plakate bieten Einblicke in verschiedenste Bereiche des Zweiten Weltkriegs. Exemplarisch soll hier je ein Objekt zum Thema der „Versorgungslage“ und der „Sturmabteilung“ näher vorgestellt werden.

Beispiel: Versorgungslage

Mit dem anhaltenden Krieg wurde die Versorgungslage in Deutschland immer schlechter. Zwar wurden Lebensmittel weitgehend rationiert, dennoch wurden davon ausgenommene Produkte gezielt beschafft und gehamstert. Durch Plakate sollte der Bevölkerung vermittelt werden, dass kein Anlass zur Hortung von Lebensmitteln und Verbrauchsgütern bestünde.

Der Künstler Max Eschle stellte eine Frau mit Hamsterkopf dar, welche schwer bepackt mit Einkäufen ist, die sie teilweise nicht mehr halten kann. Durch das Bild und den Text „Hamsterin schäme dich!“ werden ausschließlich Frauen angesprochen und bloßgestellt. Das Plakat wirkt insgesamt durch seine grelle, rote Schrift, den dunklen Hintergrund und den Schlagschatten auf der Person bedrohlich, ertappend und anklagend. 

Hamsterin schäme dich

Plakat „Hamsterin schäme dich„. Foto: DNB.

Beispiel: Sturmabteilung (SA)

Plakat „Her zu uns!„. Foto: DNB.

Die Sturmabteilung (SA) wurde vorrangig Saalschutz gegründet, daraus gingen auch die Schutzstaffeln (SS) hervor. Ab 1921 trat sie als wehrsportliche Gruppe in Erscheinung. Sie rekrutierte ehemalige Soldaten und Freikorps-Mitglieder zum Schutz von Parteiveranstaltungen der NSDAP. Sie hatte eine besonders große Wirkung auf junge Männer ohne gesellschaftliche Anerkennung, da sie für Stärke, Geschlossenheit und Kameradschaft ohne soziale Schranken stand.

Her zu uns!

Im Gegensatz zur Wehrmacht, die durch die Wehrpflicht ihre Mitglieder sicher bezog, wurde der Beitritt zur SA intensiver mittels Plakaten beworben. Dies war auch 1941 noch gängige Praxis, obwohl sie nach dem Röhm-Putsch und der Ermordung der SA-Führung bedeutungsloser wurde.[10] Auf dem Plakat von Ludwig Hohlwein fordert ein im für die SA typischen, braunen Hemd gekleideter und Hakenkreuzfahnen schwenkender Mann die Jüngeren zum Beitritt auf. Er appelliert mit dem Ausruf „Her zu uns! Du sollst Kämpfer sein für Wehr und Ehr“ an das „Ehrgefühl“ der Männer.

Virtuelle Ausstellung zur Sammlung

Zur Plakatsammlung Zweiter Weltkrieg gestalteten Kolleginnen der Deutschen Nationalbibliothek unter dem Titel „Besetzter Raum“ eine virtuelle Ausstellung, die eine Auswahl von Plakaten und Bekanntmachungen aus den von Deutschland besetzten Gebieten zeigt. Sie zeugen vom Alltag unter der Besatzungsmacht, von Ausgrenzung, Unterdrückung und Terror gegenüber der einheimischen Bevölkerung. Den späteren Generationen können sie als Mahnmal gelten, gegen nationalistische Überheblichkeit und Unterdrückung.

Zur Ausstellung: ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/besatzung/

Anne-Katrin Kreisel

Anne-Katrin Kreisel studierte im Bachelorstudiengang Medien- und Kommunikationswissenschaften und Ethnologie in Halle/Saale und im Masterstudiengang Museum & Ausstellung an der Universität Oldenburg. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Küstenmuseum in Wilhelmshaven.

Maja Hetmank

Maja Hetmank ist Medien- und Buchwissenschaftlerin und arbeitet als Bibliothekarin in der Inhaltserschließung.

Yvonne Jahns

Yvonne Jahns ist wissenschaftliche Bibliothekarin und Fachreferentin für Recht und Politik in der Inhaltserschließung der Deutschen Nationalbibliothek.

Julia Rinck

Julia Rinck ist Kuratorin der Grafischen Sammlung und der Buntpapiersammlung im Deutschen Buch- und Schriftmuseum.

Vielen Dank an unseren Bundesfreiwilligen Carl Götz für das Vorbereiten des Beitrags.






[1] Mit der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden die Deutsche Bücherei in Leipzig und die Deutsche Bibliothek in Frankfurt zu „Die Deutsche Bibliothek“ zusammenfasst. 2006 erfolgte die Umbenennung in „Deutsche Nationalbibliothek“ im Zuge des Inkrafttretens des „Gesetz[es] über die Deutsche Nationalbibliothek“. DNB – Geschichte

[2] Siegismund, Karl (1914): Deutsche Bücherei des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig. Bekanntmachung vom 9. Oktober 1914. URL: http://d-nb.info/1033807508

[3] Informationsblatt über die Kriegssammlung (Sonderdruck), undatiert, Archiv der Deutschen Nationalbibliothek (ADNBL) 527/6/0, Bl. 7.

[4] vgl. Yvonne Jahns: Sammlung in besetzten Gebieten – blog.dnb.de

[5] vgl. Gliederung der Plakate 1933–1945: https://d-nb.info/dnbn/1032373989.

[6] vgl. Paust, Albert (1940): Die Kriegssammlungen der Deutschen Bücherei 1914 und 1939. In: Sonderdruck aus dem Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 107, Nr. 86 vom 13.04.1940, S. 3ff. https://d-nb.info/1033820229

[7] vgl. Brief RMVP an die DB vom 7.12.1939, ADNBL 527/6/0, Bl. 14.

[8] vgl. Brief DB an RMVP vom 21.09.1940, ADNBL 507/5 Bl. 20.

[9] vgl. Schriftwechsel DB-RMVP-OKW-einzelne Propagandakompagnien von 1939/40, ADNBL 527/6/0, Bl. 15ff.

[10] vgl. Wunderlich, Sylke (2021): Propaganda des Terrors, Plakate des NS-Staates zwischen 1933 und 1945, Berlin: Berlin Story Verlag, S. 150ff.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Collage: Maja Hetmank

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  • ISSN 2751-3238