Schreiben Tiere Bücher?

Eine erstaunliche Anzahl an Tieren hat es in die Medienwelt geschafft. Früher ordnete man jedem Tier eine menschliche Charaktereigenschaft zu: der schlaue Fuchs, die dumme Gans usw. Vergleicht man jedoch das Schwein/Ferkel Piglet aus „Winnie the Puuh“ mit Gottfried aus „Die Farm der Tiere“ mag man kaum glauben, dass es sich um die gleiche Spezies handelt. Richtig kniffelig wird es für Bibliothekar*innen, die ein Werk formal – also nach äußeren Merkmalen wie Titel, Seitenzahl usw. beschreiben, wenn ein Tier als Autor*in in der Vorlage genannt ist.
Alles begann mit Märchen und Fabeln
Angefangen hat es mit Tieren in Märchen und Fabeln. Dort konnten Tiere plötzlich sprechen und nahmen menschliche Eigenschaften an. Es waren Lehrstücke, wie menschliches Verhalten sein sollte oder auch nicht sein sollte. Wer in den Augen des/der Autor*innen Fehlverhalten zeigte, wurde in Geschichten bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts mit drakonischen Strafen belegt. Die älteste Fabel (Der Falke und die Nachtigall) findet sich bei Hesiod, in „Werke und Tage“ circa 700 vor Christus. Später entdeckten auch Schriftsteller anderer Genres, die sich entwickelt hatten, die Anziehungskraft von Tieren in ihren Geschichten. Ähnlich wie Politiker*innen, die sich ihren Wähler*innen gerne mit Tieren und kleinen Kindern zeigen, haben sich Tiere auch in der Literatur zu einem Verkaufsschlager entwickelt.
Kinder und Tiere = Perfektion
In der Kinderliteratur tummelt sich ein ganzer Zoo. Mal begleiten sie menschliche Held*innen, mal sind sie selbst die Hauptdarsteller der Handlung. Dabei dürfen sie häufig nicht einfach nur „Tier“ sein: Sie unterhalten sich untereinander und/oder mit Menschen und es werden ihnen komplexe menschliche Charaktereigenschaften zugeordnet. Die vielfältigen tierischen Protagonisten im geschaffenen Harry-Potter-Universum oder die Peanuts oder Paddington der Bär sind Beispiele dafür. Allen gelang der Sprung von den Buchseiten zu Film und Fernsehen, von Comic zu Realverfilmungen und einer ausufernden Palette von Merchandise. Legendär ist das Treffen von Paddington mit Queen Elisabeth II. Seitdem wissen wir, dass nicht nur Paddington gerne ein Marmeladenbrot in seinem Hut versteckte, sondern auch die Queen in ihrer Handtasche einen Geheimvorrat davon mitführte.
Literarischer Mord wird erst mit pelzigen Begleitern schön
Eine ähnlich dunkle Sicht auf das Tierleben wie Animal Farm bietet „Felidae“ von Akif Pirinçci. Während bei Animal Farm die Tiere das Verhalten der Menschen spiegeln, leben die Katzen ihr Leben in der feindlichen Welt der Menschen. Also ein tierischer Blick auf die Welt der Menschen.
Damit befinden wir uns in einem Genre, bei dem wir Tiere nicht vermutet hätten, den Kriminalromanen. Pirinçci hat einen Welthit gelandet und zwei Fortsetzungen geschrieben. Es ist eine düstere Welt aus der Sicht der Katzen. Ungewöhnlich ist, dass der Täter ebenfalls eine Katze ist.

Im Gegensatz dazu stehen die Katzen-Krimis von Rita Mae Brown. Hier ermitteln Katzen und Hunde zusammen mit ihrer Besitzerin. Täter*innen sind jedoch immer Menschen. Brown gab ihre eigene Katze Sneaky Pie Brown als Co-Autorin an. Bibliothekar*innen haben Humor, aber auch Regeln, an die sie sich halten. Deshalb steht in Sneaky Pies Personendatensatz (Katzendatensatz?) der Hinweis „Katze“. Mein Kater Jesse würde hier die Nase rümpfen, schließlich enthält mein eigener Personendatensatz auch nicht den Hinweis „Mensch“. Browns Katze müsste mittlerweile das biblische Alter von 43 Jahren erreicht haben. Wir nehmen es genau, aber spalten nicht das Schnurrhaar und Neuerscheinungen erhalten weiterhin eine Verlinkung zu Sneaky Pie, wenn sie als Autorin, wir sagen dazu geistige Schöpferin, in der Vorlage aufgeführt ist. Diese Regelung gilt für Tiere, die wirklich existieren.
Für tierische Autor*innen, die nur in der Fantasie zum Leben erwachen, geben wir als Hinweis „Fiktive Gestalt“ an. Geronimo Stilton ist sowohl Verfasser als auch Romanfigur. Menschliche Autor*innen waren in den Vorlagen nicht genannt bzw. nur als Ideengeber*in genannt.
Pelzige Autor*innen in der Wissenschaft
Das berühmteste und wissenschaftlich anerkannte Beispiel für eine Autorschaft durch eine Katze sind die Aufsätze von F.D.C. (Felis Domesticus Chester) Willard. Chester war der Siamkater des Physikers Jack H. Hetherington. In einer Zeit als man Fehler in einem Paper nicht mit zwei Clicks korrigieren konnte, hatte er immer wieder „we“ (wir) im Text verwendet, obwohl er der alleinige Verfasser des Aufsatzes war.
Damit war klar, dass die Arbeit so nicht eingereicht werden konnte. Statt zu korrigieren gab er seinen Kater als Co-Autor an und später veröffentlichte Chester sogar einen Artikel in einer populärwissenschaftlichen Zeitschrift solo. Auf der 15th International Conference on Low Temperature Physics wurde der Co-Autor „enttarnt“, was auch daran lag, dass Hetherington Kopien des ersten Aufsatzes mit der Unterschrift – einem Pfotenabdruck Chesters – an Freunde verschickte.
Die Immunologin Polly Matzinger gab ihren Hund, Galadriel Mirkwood, bei einer wissenschaftlichen Publikation als Co-Autor an. Allerdings kam es nicht zur Publikation, da das „Journal of Experimental Medicine“ ihn nicht als Co-Autor akzeptierte.
Katzen-Kolleg*innen in der Bibliothek
Katzen finden sich in Bibliotheken nicht nur als Charaktere oder Autor*innen zwischen zwei Buchdeckeln oder anderen Medien. Es gibt weltweit zahlreiche Beispiele, dass Katzen auch in Bibliotheken „arbeiten“ und von Besucher*innen gern gesehene Mitarbeite*rinnen der jeweiligen Bibliothek sind. Eine kleine Berühmtheit war Dewey Readmore Books (November 18, 1987 – November 29, 2006) the library cat of the Spencer, Iowa, Public Library zu der auch Bücher verfasst wurden. Auch in Buchhandlungen sind Katzen gern gesehene Mitarbeiter*innen. In Buchform zum Beispiel der Kater Tiger von Sosuke Natsukawa: Die Katze, die von Büchern träumte und im wirklichen Leben Googey, der Mitarbeiter bei BookMarx, einer Buchhandlung in Springfield war. Er wurde sogar zu Captain Springfield (mit 71 Prozent der Stimmen) gewählt und nach seinem Tod fand eine Gedenkfeier statt.
In der Deutschen Nationalbibliothek finden sich zahlreiche Bücher mit tierischen Held*innen und vereinzelt tierischen Autor*innen, aber bisher hat weder eine Katze oder ein anderes Tier einen Leseausweis für sich beantragt oder eine Bewerbung für eine ausgeschriebene Stelle eingereicht.

Christina Filbert
ist im Bereich Bestandsaufbau und Formalerschließung der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt tätig. Sie ist Bibliothekarin und Autorin.