Statt Flug zum Mond – am Boden der Verwaltung
Wenn ich als Kind gefragt wurde, was ich mal werden wolle, wenn ich groß sei, dann habe ich stets geantwortet: „Astronautin“. War doch die Mondlandung am 20. Juli 1969 das prägende Erlebnis meiner Kindheit. „That’s one small step for man, one giant leap for mankind“ oder einen ähnlich überwältigenden Satz wollte ich auch eines Tages sagen können, dabei die Schwerelosigkeit fühlen und unsere Erde aus anderer Perspektive sehen. Noch heute würde ich sofort in das nächste Shuttle Richtung Weltraum einsteigen…
Ich bin dann aber doch am Boden geblieben, habe Jura, Politikwissenschaft und Empirische Kulturwissenschaft studiert und später berufsbegleitend einen MBA erworben. Nach einigen Umwegen im magentafarbenen Reich der Telekommunikation bin ich dann schließlich bei der Deutschen Nationalbibliothek angekommen. So war meine persönliche Mondlandung – ziemlich genau vor 15 Jahren – der 23. April 2008 (ausgerechnet der Welttag des Buches), als ich mein Vorstellungsgespräch für die Leitung der Verwaltung hatte und den Job bekam.
Was soll ich sagen? Ich habe nie bereut, dass ich so zwar nicht den Mond, aber doch immerhin ein eigenes Universum betreten habe, das reichhaltig, vielfältig, umfassend, bunt, mitunter nach dem Geschmack der Juristin zu ideenreich, aber nie langweilig ist, das Bewohner*innen hat, die sich mit diesem Kosmos und seinem mächtigen gesetzlichen Auftrag identifizieren und ihn nicht nur ausfüllen, sondern ihm echtes Leben einhauchen. Das gilt übrigens für alle, egal was sie tun: im Sammeln und Erschließen, Vermitteln und Benutzen, in Projekten und in der IT – oder eben in der Verwaltung.
Die Verwaltung ist so etwas wie die „Bodenstation“ dieses Universums:
Gibt sie doch Halt, setzt den Rahmen, sorgt dafür, dass alle ihr Gehalt bekommen, ein warmes Büro vorfinden, die Gebäude instandgehalten und nach den Bedürfnissen ihrer Nutzer*innen und eigenen Mitarbeitenden modernisiert / gebaut werden, alle rechtlichen Rat erhalten, Beschaffungen getätigt werden, damit das Bibliotheks-Shuttle auch fliegen kann, die Institution haushalterisch, organisatorisch und nachhaltig auf Kurs gehalten wird, das notwendige Personal gefunden, ausgebildet und entwickelt wird, mitunter schwergängige Räder im politischen Raum national wie international gedreht werden und, und, und… In großen und kleinen Krisen, Pandemien, bei Ängsten und Nöten ist die Verwaltung zur Stelle: „Houston, we have a problem!“ – und das muss nun nicht die Explosion eines Tanks und die Beschädigung der alkalischen Brennstoffzellen einer Apollo 13 Mondlandefähre sein.
War es seinerzeit erklärte Vision der NASA am Ende des Jahrzehnts der 1960er Jahre den Mond zu erobern, so ist es das Ziel des Zentralbereichs Verwaltung der Deutschen Nationalbibliothek ihren eigenen Beitrag zur Erfüllung und Weiterentwicklung des großartigen gesetzlichen Auftrags zu leisten, nämlich alles zu sammeln, zu verzeichnen, zu bewahren und zur Verfügung zu stellen und zu vermitteln, was unser kulturelles Erbe ausmacht, dabei innovativer Teil zu sein dessen, was diese außerordentliche Mission in die neuen Sphären der Digitalität anbelangt, ohne das angestammte Bibliotheksgeschäft aus dem Blick zu verlieren und damit, wie auch seinerzeit der Flug zum Mond, einen essentiellen Beitrag zur kulturellen Identität zu leisten: „for all mankind“ …
Und so bin ich letztendlich doch irgendwie Astronautin geworden…
111-Geschichten-Redaktion
Zum 111. Jubiläum haben wir, die Beschäftigten der Deutschen Nationalbibliothek, in Erinnerungen und Archiven gestöbert. Von März bis November präsentieren wir hier 111 Geschichten aus der Deutschen Nationalbibliothek.