Das Buch der Zukunft leuchtet

16. November 2023
von Pia Wormsbächer

Trotz des Einzugs von audiovisuellen Medien in den Bibliotheken ist es bis heute nicht zur Ablösung des gedruckten Buchs gekommen – es findet ein Nebeneinander und Miteinander klassischer und moderner Kommunikationsmittel statt. Dennoch wird das Kernangebot von Bibliotheken in der Zukunft wahrscheinlich nicht aus Printmedien bestehen.

Über 50 Jahre später leben wir in einer digitalisierten Welt. Noch nie gab es so viele verfügbare Informationen wie durch die intensive Nutzung des Internets. Die Menge an Informationen und Daten wächst stetig an. Das gedruckte Buch bekommt dabei zunehmend Konkurrenz. Immer mehr Bücher werden digitalisiert und Neuerscheinungen gibt es ebenfalls auch immer in digitaler Form. Doch welche Vor- und Nachteile bringt das digitale Buch mit sich?

Wenn wir vom digitalen Buch sprechen, ist damit das E-Book gemeint (dt. Digitalbuch), was für ein elektronisches Buch steht. Der Begriff bezeichnet Bücher in digitaler Form, die auf E-Book-Readern oder mit spezieller Software auf Computern, Tablets oder Smartphones gelesen werden können.

Der offensichtlichste und zudem größte Vorteil des digitalen Buchs ist eine Kombination aus den Faktoren Geld und Platz. Durch das E-Book besteht die Möglichkeit, mehrere Bücher gleichzeitig auf kleinstem Raum ständig bei sich zu haben, da es so konfiguriert ist, dass eine Vielzahl von verschiedenen Büchern per Download heruntergeladen werden kann – das digitale Buch wird damit zur digitalen Bibliothek. Daraus resultiert, dass die Bücher nicht in einem Regal gelagert werden müssen. Das lässt sich selbstverständlich auch auf Bibliotheken übertragen, in denen sich die Digitalisierung ebenfalls maßgeblich auf die Ausrüstung und die Gestaltung der Bibliotheksräume auswirkt. Platz ist ein großer Kostenfaktor; wenn weniger benötigt wird, spart man automatisch Geld.

Durch die Möglichkeit, Bücher neu herunterzuladen und zu löschen, fällt außerdem der Weg in die Bibliothek weg. Das digitale Buch ist zeitsparend, unkompliziert und immer verfügbar.

Des Weiteren bringt das digitale Buch große Vorteile für Menschen mit Sehbehinderung mit. Viele E-Books bieten eine stufenweise Schriftvergrößerung und Auswahl der Schriftart an. Dadurch kann der Text beliebig vergrößert werden. Zudem haben einige E-Book-Reader die Funktion des Vorlesens, wodurch auch Menschen, die keinen Blick ins Buch werfen können, nicht benachteiligt werden. Das digitale Buch wird dadurch zum barrierefreien Buch.

Auch wenn das digitale Buch bereits heute, und auch für die Zukunft, viele Vorteile mit sich bringt, lassen sich auch einige Nachteile aufzeigen, wodurch sich eine kritische Auseinandersetzung lohnt.

Dass ein E-Book elektronisch ist, steckt bereits im Namen. Daher benötigt es eine regelmäßige Stromzufuhr, um es für die Weiternutzung aufzuladen. Der Transport von vielen Büchern wird durch das digitale Buch zwar ersetzt, doch wenn der Akku leer ist, kann auch unterwegs nicht gelesen werden. Das ist selbstverständlich ein Nachteil, den das digitale Buch mit sich bringt. In der digitalen Welt, in der wir leben, fällt er aber immer weniger ins Gewicht, da überall, ob in der Bibliothek, an Bahnhöfen oder in Wartebereichen, immer Steckdosen zur Verfügung stehen und so das E-Book jederzeit aufgeladen werden kann.

Wir leben in einer Welt, die immer digitaler wird. Wenn ein*e Autor*in ein Buch herausbringen möchte, dann geschieht das oft in gedruckter Form, denn das gedruckte Werk kann mit großer Sicherheit auch noch in 20 und in 100 Jahren gelesen werden. Währenddessen besteht die große Wahrscheinlichkeit, dass das digitale Buch, so wie wir es im Jahr 2023 kennen, in 20 oder in 100 Jahren durch den technischen Fortschritt unbrauchbar ist. Gedruckte Bücher sind je nach Säuregehalt des Papiers und der Drucktechnik mindestens 70, oft aber auch viele hundert Jahre, lesbar. Demgegenüber kommen die Festplatten und Speicher gerade mal auf maximal 30 Jahre.

Ein weiterer Aspekt, der wahrscheinlich für die meisten, insbesondere die Bücherfreund*innen unter uns, der größte negative Punkt am digitalen Buch ist, ist der Verlust der Haptik Das Blättern im Buch verschwindet. Der Geruch des gedruckten Papiers ist inexistent. Das Ertasten und Erblicken der verschiedenen Oberflächen und Farben des Bucheinbands ist nicht möglich. Und all das kann das digitale Buch auch nicht imitieren. Für viele Lesende ist dieser Punkt auch der Hauptgrund, weshalb sie sich gegen das digitale und weiter für das klassische Buch entscheiden.

An diese Überlegung lässt sich auch ein weiterer Punkt anknüpfen: Wenn Printmedien in der Zukunft aussterben sollten und das digitale Buch ihren Platz einnimmt, verändert sich auch der Sammelauftrag von Bibliotheken. Die Deutsche Nationalbibliothek betrifft diese Frage ebenfalls, denn ihr Bestand umfasst alle Publikationen in Schrift, Bild und Ton, die seit 1913 in Deutschland, in deutscher Sprache, als Übersetzung aus der deutschen Sprache oder über Deutschland veröffentlicht wurden. Diese Sammelrichtlinie ist gesetzlich verbrieft. Für das Verwalten, Sammeln, die Langzeitarchivierung und das Zugänglichmachen verschiedenster Werke müssen neue Lösungen gefunden werden, wenn in Zukunft wirklich nur noch digital veröffentlicht wird.

Alles in allem gibt es sowohl viele Vor- als auch Nachteile, wenn man der Vorstellung anhängt, dass das Buch der Zukunft digital sein wird. Aber schon heute ist klar, dass es sich nicht um ein entweder – oder handelt, sondern dass das analoge und das digitale Buch nebeneinander existieren werden – je nach Nutzungskontext wird das eine oder das andere die bessere Variante sein. Nichtsdestotrotz wird die Digitalisierung der Bibliotheken die größte Veränderung sein, die die Gedächtniseinrichtung Bibliothek seit ihrer Erfindung erlebt hat.

E-Book im Bücherregal, Foto: Paolese, adobe-stock, Quelle: gruender.de

Treffpunkt Bibliothek

Über die Bibliothek der Zukunft nachzudenken, ist ebenso notwendig wie abenteuerlich. Zwischen der Idee, der Planung und Umsetzung und letztendlich der Eröffnung, können schnell mehrere Jahrzehnte vergehen – und schnell ist an dieser Stelle ironisch gemeint.

Seit den 1990er Jahren hat sich das Bild vor allem der öffentlichen Bibliotheken stark gewandelt. Grund dafür ist der Einfluss von gesellschaftlichen, technologischen und medialen Entwicklungen.

Öffentliche Bibliotheken verfolgen den Auftrag, die Bedürfnisse einer breiten Öffentlichkeit zu stillen. Sie unterliegen daher den kulturellen Veränderungen der Zeit in ganz besonderer Weise.

Die rasante Digitalisierung macht es der Bibliothek nicht leicht, Schritt zu halten. Das Informationsmonopol ist gekippt. Wer heute schnell an Informationen kommen möchte, nutzt das Internet; die Bücher in den Bibliotheksräumen werden vielfach zur zweiten Wahl. Damit öffentliche Bibliotheken eine Zukunft haben, muss etwas geändert werden. Hier bilden sich derzeit Strategien heraus, die auch für wissenschaftliche Bibliotheken wie die Deutsche Nationalbibliothek interessant sind. Dabei geht es oft nicht um einen Austausch oder einer grundstürzenden Erneuerung, sondern vielmehr um eine Ergänzung des Bibliotheksangebots. Das Angebot muss sich an den Bedarfen der Besuchenden und Nutzenden ausrichten.

Dass öffentliche Bibliotheken neben der Bereitstellung von Büchern und anderen Medien unterschiedliche Veranstaltungen anbieten, ist nicht neu. Darunter finden sich Bibliothekseinführungen, Ausstellungen, Lesungen sowie kleinere Musik- und Theatervorstellungen. Oftmals wird dabei gezielt das jüngere Publikum angesprochen. Und dennoch sinken die Besucher*innen-Zahlen stetig. Zwar trifft man sich weiterhin zum Lernen und Arbeiten in der Bibliothek, danach geht es jedoch schnell wieder nach Hause oder zum nächsten Event. Die Bibliothek bleibt ein Arbeitsplatz.

In Skandinavien sieht das alles etwas anders aus. In Dänemark beispielsweise versteht sich die Bibliothek viel stärker als kultureller Treffpunkt. Dort wird mit großer Entschiedenheit um ein neues Image der Bibliothek gerungen, bei dem das Aufenthaltserlebnis der Besuchenden im Vordergrund steht. Kommunikation, Dienstleistung und ein zeitgemäßes Veranstaltungsprogramm stehen auf dem Plan. In der Dokk1 in Aarhus können nicht nur Bücher gelesen, sondern auch Behördengänge erledigt werden, es finden zahlreiche Workshops statt, und mit den passenden Werkzeugen, die die Bibliothek zur Verfügung stellt, kann dort auch das Fahrrad repariert werden. Die Bibliothek wird zu einem neuen Raum, zu einem Treffpunkt aller, an dem ganz unterschiedliche Bedürfnisse befriedigt werden – in denen sich das Leben abspielen kann.

Dänemark ist nur ein Bespiel von vielen. Es gibt einige Ideen, in welche Richtung sich die Bibliothek in Zukunft auch bei uns verändern könnte, verändern sollte. Wichtig dabei ist, dass der Wissenserwerb und das Buch weiterhin im Vordergrund stehen, dass es genug Arbeitsplätze gibt für jede Person, die diese nutzen möchte, und dass Räume für stetigen Austausch miteinander geschaffen werden.

Die öffentliche Bibliothek erhält ihre Attraktivität nur zurück, wenn sie es schafft, den klassischen, traditionellen Raum für mehr als nur das Erledigen von Arbeit zur Verfügung zu stellen. Sie ist ebenso wie viele andere Lebensbereiche stark von der Digitalisierung betroffen und benötigt eine Verwandlung, um zum Treffpunkt aller zu werden und eine Zukunft zu haben.

Dokk1 Bibliothek, Foto: Dokk1; Urheber:in: Dokk1, dokk1.dk/bibliotek
Kreatives Lernen bei Dokk1, Foto: Dokk1; Urheber:in: Dokk1, dokk1.dk/kreativ-laering

Pia Wormsbächer ist Masterstudentin der Kunstgeschichte an der Universität Leipzig. In ihren Blogbeiträgen beschäftigt sie sich mit der Frage, wie die Bibliothek der Zukunft aussieht.

Im Kontext seiner Kooperation mit der Wissenschaft hat das Deutsche Buch- und Schriftmuseum im Wintersemester 2022/23 einen Lehrauftrag an der Universität Leipzig durchgeführt, das sich unter dem Aspekt der Gestaltung, Funktionen und Ästhetiken des Speicherns mit der spannenden 111-jährigen Geschichte der DNB beschäftigt. Es ist eine in der Strategie der DNB fest verankerte Lehrkooperation, deren Ergebnisse zugleich Auskunft geben über 111 Jahre Bibliotheksgeschichte.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Paolese, adobe-stock

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