Zeugnisse des frühen Kinos

29. September 2023
von Frauke Haß (DFF)

Filmzeitschriften, Zensurkarten, Drehbücher, Fanalben und eine Spucktüte: Die Bestände des DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum geben überraschende Einblicke in die Geschichte des Films.

Graues Metall Regal mit Fachzeitschriften für Medien etc. Im Regal stehen Aufbewahrungsboxen für ungebundene Zeitschriften auf deren Front ein Cover der jeweiligen Zeitschrift zu sehen ist. Daneben stehen vereinzelt gebundene Zeitschriftenbände.. Durch die Lücken im Regal ist das Regal dahinter zu sehen.
Foto: DFF

Die umfangreichen Textbestände des DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum zu Film und Kino sind öffentlich zugänglich, und zwar seit 2010 am Standort Deutsche Nationalbibliothek in Frankfurt am Main. Studierende, Wissenschaftler:innen und Filminteressierte können dort in Bibliothek, Text- und Zeitschriftenarchiv tief in die Welt des Films und Kinos eintauchen.

Interessante Einblicke in die frühe Geschichte des Kinos bietet etwa die älteste deutsche Fachzeitschrift Der Kinematograph, die im Januar 1907 erstmals erschien. Die Zeitschrift richtete sich exklusiv an Kinobesitzer und Filmvorführer und bot einen einzigartigen Blick in die Welt des Kinos und der Kinotechnik. Das Magazin konzentrierte sich hauptsächlich auf technische Aspekte, darunter die Behandlung von Filmnegativen und die rechtlichen Bestimmungen, die erfüllt werden mussten, um Filme vorzuführen. Darüber hinaus streifte der Kinematograph auch die Geschichte des Kinos. 

Filmzeitschriften waren in den Anfangsjahren des Kinos nicht nur extrem gefragt, sondern auch äußerst vielfältig aufgestellt: Einige Fachblätter konzentrierten sich insbesondere auf technische Fragen, andere setzten sich mit Behördenvorschriften und Gesetzgebung auseinander oder beschäftigten sich mit Bildern und Filmrechten.

Cover der Fachzeitschrift Kinematograph, mit  einem s/w Foto eines solchen
Foto: DFF

Eine Werbeanzeige war in den frühen Jahren des Kinematograph in fast jeder Ausgabe zu lesen: „Hochpikante Herrenfilms, verleiht in reichster Auswahl und zu kulantesten Bedingungen, die erste Filmverleihanstalt.“ Pornografie war zu dieser Zeit ein unheimlich großer Markt und trug sehr wahrscheinlich dazu bei, dass die Kinobranche so erfolgreich wurde. Die Anzeigen im Kinematograph bewarben aber auch Produkte wie Kerzen für Projektoren, neue Projektoren selbst und Stellenanzeigen sowie -gesuche für Filmvorführer. Außerdem wurden Listen von Filmen veröffentlicht, die im Verleih zur Verfügung standen, so dass Kinobesitzer sehen konnten, welche Filme sie als nächstes zeigen könnten.

Der Kinematograph bietet uns heute wertvolle Einblicke in die Kinopraxis der 1920er Jahre. So dokumentiert das Magazin die Entwicklung der Kinotechnik, den Übergang von Kerzen zur Projektion mit elektrischem Licht und die Veränderungen in der Praxis.

Rund 80.000 Publikationen zur Geschichte und Theorie des Films, zu Personen, Institutionen‚ Filmen, Genres und Motiven hütet die Bibliothek des DFF, eine der bedeutendsten zum Thema Film in Europa. Ältestes Werk der Sammlung ist die naturwissenschaftliche Ars Magna Lucis et Umbrae (1646) des Universalgelehrten Athanasius Kircher.

Zum Bestand des Textarchivs gehören rund eine Million Presseartikel zu Filmen, Personen und allgemeinen filmrelevanten Themen sowie Verleih- und Pressematerialien. Sie stehen in 6.000 Ordnern und auf 35.000 Mikrofiche-Jackets bereit. Die Spezialsammlungen enthalten unter anderem 3.000 historische Zensurkarten und Zensurlisten, 45.000 Filmprogramme und 8.000 Drehbücher. Hier findet sich auch die ein oder andere Kuriosität: So hütet das DFF eine kleine Sammlung von Brötchentüten, die in den 1930ern als Werbematerial für Vorstellungen der Corso-Lichtspiele (womöglich in Köln?) herausgegeben wurden. Ein Objekt mit einem gewissen Ekelfaktor ist eine sogenannte „Barf Bag“, eine Spucktüte also, die von Spike & Mike’s Festival of Animation ausgegeben wurde, offenbar begleitet von der Befürchtung, dass die gezeigten Cartoons dem Publikum auf den Magen schlagen könnten.

Fotos zweier Tüten. Links eine Brötchentüte mit gezeichneter Werbung für den Film die Gräfin von Monte Carlo im CORSO Lichtspiele in der Dürenerstr. Rechts eine Spucktüte die Spike & Mike`s Festivall of Animation "SICK & TWISTED" mit einem Cartoon eines sich übergebendend Kopfes bewirbt.
Links: Brötchentüte Rechts: Spucktüte Foto: DFF

Dass das Kino ohne seine Fans, die Kinogeher:innen, nicht zu denken ist, das dokumentieren sogenannte Fan-Alben, die sich ebenfalls im Textarchiv des DFF finden. Liebevoll haben Cinephile hier alles zusammengetragen, was sie zu den von ihnen verehrten, meist unerreichbaren Stars finden konnten: Zeitungsausschnitte, Fotos, Autogrammkarten.

Fan-Alben sind oft Text, Bild und Objekt zugleich: Sie geben Aufschluss darüber, wie in der Vergangenheit Fankultur gelebt wurde.

111-Geschichten-Redaktion

Zum 111. Jubiläum haben wir, die Beschäftigten der Deutschen Nationalbibliothek, in Erinnerungen und Archiven gestöbert. Von März bis November präsentieren wir hier 111 Geschichten aus der Deutschen Nationalbibliothek.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Foto: DFF

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