5 Antworten von … Nicole Krahnert
In der Serie „5 Antworten von …“ kommen Akteur*innen des fünften Erweiterungsbaus der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig zu Wort und beantworten Fragen zum Baugeschehen, den Meilensteinen und den Hintergründen.
Was ist deine Rolle im Projekt fünfter Erweiterungsbau?

Ich bin Mitarbeiterin der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig und arbeite als Dipl.-Ing. (FH) Architektin im Bereich Verwaltung / Innerer Dienst. Zu meinen Aufgaben gehört unter anderem die Betreuung und Koordination von Baumaßnahmen in der DNB. Im Projekt 5. Erweiterungsbau fungiere ich als Ansprechpartnerin der Deutschen Nationalbibliothek (DNB), die Bauherrin, Nutzerin und Eigentümerin zugleich ist. Dabei ist es auf der Projektebene im Wesentlichen meine Aufgabe, inhaltliche oder technische Anfragen von den Architekt*innen oder den Fachplaner*innen, die zur konkreten Umsetzung unserer Bedarfsplanung oder unseren Nutzeranforderungen notwendig sind, zu beantworten.
Dies passiert stets im sehr engen Austausch mit dem Direktor der DNB in Leipzig, der das Projekt leitet1, den betreffenden Fachbereichen der DNB, wie der Informationstechnologie, der Benutzung und Bestandserhaltung und der Verwaltung. Aktuell wird beispielsweise mit dem Fachbereich Benutzung und Bestandserhaltung, konkreter dem Bereich Bestandverwaltung und meinem Kollegen Roland Pankonin2, die Belegung des Magazins geplant. Bei den Magazinen unterscheiden wir nach Magazinen mit Rollregalanlagen und Magazinen mit FTS-Anlagen (FTS = Fahrerloses Transportsystem). Je nach Formaten, Gewicht und Zugriffszahlen auf die Bestände wird die Magazinbelegung genau festgelegt. So erreichen wir eine sinnvolle Anordnung der Bestände und eine optimale Auslastung des Magazingebäudes.
Des Weiteren gehört es zu meinen Aufgaben, mit Behörden wie dem Grundbuchamt oder Ingenieurbüros in Kontakt zu treten. Für das Bauprojekt sind beispielsweise aktuelle Grundbuchauszüge zum Grundstück einzuholen oder notwendige Vermessungsleistungen auf der Liegenschaft durchzuführen.



Grundriss der DNB mit den bis 2011 realisierten Erweiterungsbauten, Abb.: DNB, 2018
Modell der DNB mit markierter Fläche für den 5. Erweiterungsbau, Foto: Büro für urbane Projekte, 2024
Wie geht man die Bedarfsplanung für einen großen Magazinbau wie den 5. Erweiterungsbau der DNB an?
Der Bedarfsplanung vorangestellt sind sogenannte bedarfsauslösende Gründe für die Durchführung von Baumaßnahmen. Für die DNB ist das der wiederkehrende Bedarf an Magazinflächen vor dem Hintergrund ihres gesetzlichen Auftrags.
Als zentrale Archivbibliothek Deutschlands sammelt, dokumentiert und archiviert die DNB per Gesetz alle Medienwerke in Schrift, Bild und Ton, die seit 1913 in Deutschland, über Deutschland oder in deutscher Sprache veröffentlicht werden. Damit geht die Verpflichtung einher, die gesammelten Medienwerke im Original und auf Dauer zu bewahren.
Grundsätzlich wird die Bedarfsplanung vom Eigentümer und Nutzer, also in diesem Fall der DNB, formuliert. Das heißt, die DNB erklärt ihren Bedarf an Magazinflächen, der durch eine Baumaßnahme gedeckt werden soll. Dabei werden alle Angaben zu den Anforderungen, zur Funktionalität, zur Quantität und Qualität des neuen Magazingebäudes genau beschrieben.
Die Ermittlungen zum Flächen- und Raumbedarf für den 5. Erweiterungsbau begannen bereits im Jahr 2019. Das heißt, auf Basis einer Zeitanalyse der vergangenen Jahre (2007 – 2017) wurde eine quantitative Prognose der Medieneingänge für die nächsten 30 Jahre erstellt.
Die DNB bekommt täglich ca.13.000 Medienwerke ins Haus. Der überwiegende Teil erreicht sie bereits digital. Nur den Standort in Leipzig betrachtet, gehen hier jeden Tag circa 1.900 physische Medienwerke ein. Diese Mengen auf 30 Jahre gerechnet, benötigen viel Platz. Die auch unter Einbezug von Umlagerungen aus älteren Magazinen errechnete Nutzungsfläche beträgt ca. 17.200m² und entspricht einem jährlichen Bedarf von ungefähr 6 Regalkilometern. Der neue Magazinbau wird demzufolge bis ca. 2050 ausreichend Lagerungskapazitäten bieten.

Eine weitere Anforderung ist ein konstantes Raumklima mit 18 ± 2 °C und 50%± 5% relative Luftfeuchte für die Magazinbereiche, welches für die dauerhafte Lagerung des Archivgutes zwingend erforderlich ist.
Eine wesentliche und kompetente Unterstützung bei der Bedarfsbeschreibung hatte die DNB mit dem Büro für urbane Projekte3 aus Leipzig und der agiplan GmbH aus Mülheim an der Ruhr bezüglich der Planung für Logistik und Standortentwicklung. Denn mit dem 5. Erweiterungsbau ergeben sich auch neue funktionale und räumliche Zusammenhänge. So werden die Magazineingangsstelle und der Medienservice, die den Magazinen vorgelagert sind, künftig an der räumlichen Schnittstelle zwischen Bestandsbau und dem neuen Magazingebäude angeordnet werden. Dafür wird eine bisherige Magazinfläche im 4. Obergeschoss des Bestandsgebäudes durch Umbau an die neuen Funktionen angepasst.
Alle Medienwerke durchlaufen dann diese Magazineingangsstelle auf dem Weg der Archivierung in die Magazine. Dem Medienservice kommt die Aufgabe zu, bei Anforderung von Medien durch Nutzende die entsprechenden Bestände in den Lesesälen zur Verfügung zu stellen. Auch der Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) und das Sächsische Ministerium der Finanzen (SMF) sind fortlaufend in die Planungen involviert.
Auf diese Bedarfsplanung baut dann die Entwurfsplanung der Architekt*innen auf, mündend in die Ausführungsplanung usw. Wie wahrscheinlich ist es am Ende, dass die Bedarfe und Wünsche der DNB tatsächlich so, wie anfangs gedacht, umgesetzt werden?
Die fertiggestellte Bedarfsplanung bedarf der Billigung durch die oberste Instanz der DNB als Nutzerin. Das ist die/der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), welchem/r die Bedarfsplanung vorgelegt wird. Erteilt sie/er die Billigung, ist damit die Kapazitätserweiterung der DNB durch ein neues Magazingebäude bestätigt – so geschehen im Oktober 2022.
Das bedeutet zugleich, dass die Bedarfsplanung für die weitere Planung bindend ist. Weitere Planungsschritte sind zum Beispiel die Erstellung einer sogenannten initialen Projektunterlage (IPU), die Durchführung des Architekturwettbewerbs (beides im Jahr 2024 umgesetzt) oder die Bearbeitung der einzelnen Leistungsphasen der Gebäudeplanung. Künftige Nutzungsbereiche und Raumtypen wie Magazin-Rollregalanlage, Magazin-FTS-Anlage, Serverraum oder Kommissionierarbeitsplatz4 werden inhaltlich bereits aufgeführt. Die konkrete Anordnung im Gebäude und die Ausführung der Innenräume obliegt dann aber noch den Architekt*innen und Fachplaner*innen.


Visualisierung des 5. Erweiterungsbaus; CODE UNIQUE Architekten GmbH, Dresden, 2024
Grundsätzlich ist in jeder Planungsphase eine enge und transparente Zusammenarbeit der Projektbeteiligten sehr wichtig. Ein geschütztes Online-Portal, das für den Austausch und die Ablage von Protokollen, Planunterlagen oder Präsentationen zum Bauprojekt genutzt wird, ist hierfür eine gute Basis. Somit werden die Verbindlichkeit der Planung in Bezug auf die Bedarfsplanung sehr gut aufrechterhalten und damit die Bedarfe und Wünsche der DNB auch umgesetzt.
Welche Themen oder Bedarfe haben dich besonders intensiv beschäftigt?
Nachdem das Volumen des Magazinbaus errechnet und ein passendes Baufeld gewählt waren, tat sich eine Schwierigkeit auf: Unter dem Baufeld verläuft eine aktive Fernwärmeleitung.

Das Baufeld liegt im Bereich des sogenannten Posthofs der DNB. Das ist ein unbebauter Hof, auf dem sich derzeit Parkflächen und die Anlieferzone für den Medieneingang, quasi der Postzugang, befinden – daher der Name Posthof. Die Fernwärmeleitung führt vom Deutschen Platz durch einen Keller im 1. Erweiterungsbau (realisiert 1933-1936), unter dem Posthof entlang (wo erst die Baugrube, dann die Untergeschosse des Magazinbaus sein werden) bis hin zum Gebäude der Universitätsklinik an der Philipp-Rosenthal-Straße.
Aufgrund der großen Baumasse wird für das Gebäude eine Tiefe von bis zu drei Untergeschossen haben, das heißt ca. 10 Meter in die Tiefe gebaut werden. Daher ist es erforderlich, die Fernwärmeleitung aus dem Baufeld zu verlegen. Die Verlegung wird bereits vor dem eigentlichen Baubeginn (voraussichtlich Ende 2026), entlang der Curiestraße erfolgen. Dabei ist unbedingt das Zeitfenster der heizfreien Periode zu beachten, da sonst nicht nur die Heizkörper in der DNB, sondern auch die in der Nachbarschaft kalt bleiben würden.
Die Arbeitswelten werden nicht nur im Bibliotheksbereich immer technisierter. Wie viele Menschen werden in dem Magazin welche Arbeiten ausführen und was übernimmt die Technik?
Im neuen Magazingebäude werden Medienwerke untergebracht werden, die unsere Nutzenden entweder sehr oft oder sehr wenig bestellen. Wir sprechen hier von Zugriffshäufigkeiten. Da die DNB eine Präsenzbibliothek ist, kann übrigens generell nichts aus unseren Beständen nach Hause entliehen werden.
Für Bereiche mit geringen Zugriffshäufigkeiten sind übliche elektrische Rollregalanlagen vorgesehen, in denen zwei Mitarbeitende tätig sind. Das sind unsere Magaziner, welche die Bücher für die Benutzung „ausheben“. Für die Bereiche mit hohen Zugriffshäufigkeiten, also, wenn Bücher bei Neuerscheinung sehr oft angefragt werden, werden die Magazinflächen mit einem fahrerlosen Transportsystem (FTS) ausgestattet. Bei diesem automatischen Lagersystem werden die Medienwerke in mobilen Regalen eingelagert. Nach Bestellung eines Medienwerks holen dann Shuttle-Roboter schnell und effektiv das jeweilige Regalsegment mit dem angeforderten Medium und bringen es zu sogenannten Kommissionierungsplätzen, wo es dann durch 2 Mitarbeitende der DNB weiterverarbeitet und für die Lesesäle vorbereitet wird.
Fahrerlose Transportsysteme sind ein wichtiger Bestandteil in der Logistik für innerbetriebliche Transporte. Die ersten FTS wurden vor mehr als 50 Jahren in den USA vorgestellt. In Deutschland begann die Entwicklung 1963 und wird bis heute stetig weiterentwickelt5. Bezogen auf die gesamte Magazinfläche umfasst die Rollregalanlage ca. 75 % und die FTS-Anlage ca. 25%.
Darüber hinaus werden in den Magazinen für Wartungs- und Reparaturarbeiten zeitweise Techniker benötigt und ca. 1-2 Mal im Jahr kommen für die Säuberung der Magazine Reinigungskräfte zum Einsatz. Auch Kolleg*innen aus der Bestandsverwaltung und der Bestandserhaltung werden in regelmäßigen Abständen zum Monitoring der Bestände im Gebäude unterwegs sein.
Es kommen also in Summe schon einige Personen zusammen. Letztlich sind aber in einem Magazinbau sehr viel weniger Mitarbeitende unterwegs als in den Mitarbeiterbereichen, dem Medieneingang oder etwa den Servicebereichen. Und auch die Technik kann zwar eine große Unterstützung für Arbeitsabläufe und Prozesse sein, aber es braucht nach wie vor den Menschen, der schlussendlich die verschiedenen Abläufe in der DNB sicherstellt.
Ein Magazinbau der geplanten Größe bedeutet eine mehrjährige Großbaustelle. Was bedeutet das bereits in der Vorbereitung für die Mitarbeitenden und die Nutzenden der DNB?

Der 5. Erweiterungsbau wird südöstlich des Hauptgebäudes entstehen. Dort liegt der oben genannte Posthof, der zur Anlieferung der Medien dient. Hier finden auch Abfallverarbeitung und -entsorgung statt und gibt es ein Parkplatz für Mitarbeitende.
Der heutige Posthof wird während der Bauzeit nicht nutzbar sein. Somit ist es vor Beginn der Baugrubenherstellung notwendig, ein Interim für den Medieneingang und Posthof herzustellen, damit der Anlieferbereich sowie die Abfallentsorgung während der Zeit der Baumaßnahme gewährleistet sind.
Für das Interim Medieneingang ist ein Bereich im jetzigen Hauptgebäude vorgesehen, an dem sich dann vorgelagert im Außenbereich die Funktionen des Posthofes angliedern werden. Für die wegfallenden PKW-Stellplätze wird um Umfeld der DNB gerade nach möglichen Alternativen gesucht.


5. Erweiterungsbau, Längsschnitt, Foto: CODE UNIQUE Architekten GmbH, Dresden, 2024
Die Nutzenden der DNB werden beim Besuch der DNB die Baumaßnahme, welche voraussichtlich Ende 2026 beginnen wird, sicher wahrnehmen. Der Ablauf der Ausleihe oder auch die Nutzung der Lesesäle werden aber nicht unmittelbar betroffen sein, da es sich um einen Anbau an das bestehende Gebäude handelt. Das Werkeln und Arbeiten auf der Baustelle werden allerdings hin und wieder bis in die Lesesäle etwas zu hören sein. Geplant ist übrigens auch eine Webcam, die live einen Einblick ins Baugeschehen für alle Interessierten bietet6. Eine Baustelle dieser Größe ist ja auch an sich etwas sehr Spannendes.
Vielen Dank für das Interview, Nicole Krahnert!
Aktuelle Informationen zum fünften Erweiterungsbau finden Sie unter: https://www.dnb.de/erweiterungsbau
Tina Bode
Dr. Tina Bode ist Direktionsreferentin in der Deutschen Nationalbibliothek und Teil der Stabsstelle Strategische Entwicklungen und Kommunikation.
- Siehe auch 5 Antworten von Johannes Neuer ↩︎
- Roland Pankonin wird im Rahmen der Blogserie „5 Antworten von …“ ebenfalls interviewt werden. ↩︎
- Siehe dazu 5 Antworten vom Büro für urbane Projekte ↩︎
- Am Kommissionierarbeitsplatz werden von den Mitarbeitenden der DNB die von den Nutzenden angefragten Medien zusammengestellt und für die Bereitstellung in die Lesesäle vorbereitet. ↩︎
- Siehe dazu https://www.staplerberater.de/ ↩︎
- Die Aufnahmen der Webcam werden über die Website der DNB übertragen werden. ↩︎