Anarchistischer Wortakrobat

6. September 2023
von Julia Rinck

Zum Tode von Bert Papenfuß-Gorek

Am 26. August 2023 verstarb der Autor Bert Papenfuß-Gorek. Viele seiner expressiven Texte – in den von ihm herausgegeben literarischen Zeitschriftenreihen oder gemeinsam mit Grafiker*innen gestalteten Künstlerbüchern und Grafikeditionen – sowie ein Porträt des Lyrikers von Karin Wieckhorst befinden sich im Bestand des Buchmuseums der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig.

Bert Papenfuß-Gorek bei einer Lesung im damaligen Klubhaus Steinstraße in Leipzig am 1. November 1988. Fotografie von Karin Wieckhorst.
Bert Papenfuß-Gorek bei einer Lesung im damaligen Klubhaus Steinstraße in Leipzig am 1. November 1988. Fotografie: Karin Wieckhorst.

Die Fotoserie mit Autor*innen-Porträts der Leipziger Fotografin Karin Wieckhorst war Teil der Ausstellung „Störenfriede. Kunst, Protest und das Ende der DDR“ im Deutschen Buch- und Schriftmuseum anlässlich des 30. Jahrestags des Herbst 1989.

DNB – Ausstellungsarchiv des DBSM – Störenfriede. Kunst und Protest und das Ende der DDR

Biografisches

Bert Papenfuß (mit dem selbstgewählten Namenszusatz Gorek) wurde 1956 im mecklenburgischen Stavenhagen geboren und distanzierte sich früh von seinem staatsnahen Elternhaus. Ab den 1970er Jahren gehörte er als einer der kreativsten und produktivsten jungen Autoren zur Berliner Literaturszene im Prenzlauer Berg. Aus Mangel an Publikationsmöglichkeiten rezitierte er seine Texte bei Konzerten von Punk- oder Rockbands und beteiligt sich an zahlreichen Samisdat-Zeitschriften. 1988 erschien sein Lyrikband dreizehntanz in der von Gerhard Wolf herausgegebenen Reihe „ausser der reihe“ im Aufbau-Verlag, die westdeutsche Lizenzausgabe erschien bei Luchterhand. In den 1990er-Jahren war Papenfuß Redakteur von Untergrund-Zeitschriften wie „Sklaven“ oder „Gegner“ sowie Betreiber und Organisator des anarchistischen Kulturcafés „Torpedokäfer“ und des „Kaffee Burger“, ab 2010 Mitbetreiber der Kulturspelunke Rumbalotte continua.

Schutzumschlag zu dreizehntanz (1988) im Aufbau-Verlag
Schutzumschlag zu dreizehntanz (1988) im Aufbau-Verlag

Wortbrüche

„Bert Papenfuß-Gorek gehört zu den wenigen deutschsprachigen Dichtern, die ihren Lesern keine nachdenklich notierten Sprachpastelle vorsetzen, sondern einen aufregenden Wort- und Denkdschungel.“ (Dieter M. Gräf, Basler Zeitung, 1.2.1991)

Bert Papenfuß: SoJa (planetlyrik.de)

Papenfuß nutzt als Sprech-Sprach-Repertoire vielfältige Möglichkeiten avantgardistischer Rhetorik: jandelsche Sprachspielereien, schwülstige Manierismen, scheinbar primitive Kalauer sowie vielfältige Formen sprachlicher Dekonstruktion: bewusste „Schreibfehler“ („foll“ statt „voll“, „kil-holen“), ausgetauschte Buchstaben-Kombinationen („kreuts“ und „kwehr“, „kk“ statt „ck“), obsessive Wiederholungen, Verfremdungen und Metamorphosen.

Papenfuß in der Nationalbibliothek

In den Beständen des Buchmuseums finden sich Texte des Lyrikers unter anderem in Samisdat-Zeitschriften wie „Schaden“ oder Ariadnefabrik“, die in der DDR in Klein- oder Kleinstauflagen in Kooperation von Schriftsteller*innen, Grafiker*innen oder Fotograf*innen unter Umgehung aller offiziellen Genehmigungsverfahren – mehr oder weniger legal – gestaltet und produziert wurden. In den Studiensammlungen des Museums befinden sich zudem 19 Künstlerbücher und Pressendrucke sowie Grafikeditionen zu Papenfuß‘ Texten. Darüber hinaus wurden natürlich auch die offiziell bis 1989 in Ost- und Westdeutschland verlegten, die danach (z.B. im Steidl Verlag) erschienenen Bücher sowie Publikationen über den Künstler in der Nationalbibliothek gesammelt.

Publikationen von und über Bernd Papenfuß-Gorek im Online-Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: https://d-nb.info/gnd/118885340

Julia Rinck

Julia Rinck ist Kuratorin der Grafischen Sammlung und der Buntpapiersammlung im Deutschen Buch- und Schriftmuseum.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Foto: Karin Wieckhorst

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