Ein schwarzer Tag im Museum

12. Juni 2023
von Peter Kühne, Cornelia Ranft und Julia Rinck

Das Pfingstwochenende steht in Leipzig jedes Jahr ganz im Zeichen des Wave Gotik Treffens, kurz WGT. In diesem Jahr feierte ein internationales Publikum bei bestem Wetter in Leipzig nun schon das 30. Treffen. Mit 200 Bands und Veranstaltungen überall in Leipzig ist es das größte Festival dieser Art weltweit. Dazu kam noch das Konzert von Depeche Mode auf der Festwiese mit 70.000 Gästen am Freitagabend. Das Deutsche Buch- und Schriftmuseum hatte für den Sonntag zu einem vielfältigen Programm mit Führung, Lesung, Präsentation und Aktionen in seine Räume geladen. 290 Menschen folgten unserer Einladung.

MONSTRÖS! Von Drachen, Fabelwesen und anderen Ungethümen

Von 11 bis 14 Uhr waren in unserer Präsentation „MONSTRÖS!“ ausgewählte Blätter aus der Grafischen Sammlung und der Buntpapiersammlung des Museums mit einem besonderen Blick auf fantasievolle Fabelwesen zu sehen.

Gäste des WGT im Foyer des Buchmuseums: Präsentation von „monströsen“ Objekten der Grafischen Sammlung und der Buntpapiersammlung. Foto: Mirella Kühne CC.BY.SA.3.0 DE

Als Holzschnitt, Kupferstich oder farbenprächtige Lithografie gedruckt, fanden sich hier Drachen oder Einhörner auf Exlibris, Greife auf Postkarten und Werbemarken der Weltausstellung des Buchgewerbes (BUGRA) von 1914 ebenso wie polymorphe Figuren der Renaissance auf Papierborten.

Zwei „Schaustellerblätter“ aus dem 16. und 18. Jahrhundert zeigten ein erlegtes Krokodil aus Lybien (1563) und ein zahmes Nashorn (1751), die mit den fahrenden Schausteller*innen durch Europa tourten. Die Flugblätter wurden vom Holzstock bzw. vom Kupferstich mit einem an den jeweiligen Ausstellungsort angepassten Text gedruckt und konnten als Erinnerung an das Spektakel erworben werden.

Salvator Flamini: Zu kund sey meniglichen das vor dreyen Jaren zu Lybia… Flugblatt/Schaustellerzettel. Getruckt zu Frankfurt am Mayn [1563]
Salvator Flamini: Zu kund sey meniglichen das vor dreyen Jaren zu Lybia… Flugblatt/Schaustellerzettel. Getruckt zu Frankfurt am Mayn [1563]. Foto: DNB, Rinck CC.BY.SA.3.0 DE

Drachen, Phönixe und Koi-Karpfen-Paare als Glücksymbole konnten als Muster in verschiedenen Farbvarianten auf geprägten Papieren aus der Produktion der Buntpapierfabriken des späten 19. Jahrhunderts bestaunt werden.

Ergänzend zu den Beispielen der Blattsammlungen demonstrierten drei Pop-up-Bücher aus der Sammlung Kinetischer Bücher Hans & Elsbeth Hartung die Vielfalt der Möglichkeiten beweglicher Bücher: „The Spooky Scrapbook“ von Kees Moerbeek, „Ghoul-School“ von Pat Thomson und Leo Hartas und Greg Hildebrandt’s „Book of Three-Dimensional Dragons“. Das filigrane und witzige Design dieser Buchobjekte begeisterte nicht nur die kleinen Gäste.

Die Gäste waren nicht nur interessiert an den einzelnen Objekten und ihrer Geschichte, sondern diskutierten auch angeregt über mögliche Entwicklungslinien der dargestellten Fabelwesen von den gedruckten Anfängen bis hin zu Fantasy-Literatur und Film in der Gegenwart.

Führung mit Peter Schöffer, einem Wegbegleiter Gutenbergs

Am Pfingstsonntag des 30. WGT waren etwa 40 Besucher*innen der Einladung des Buchmuseums gefolgt und ließen sich ab 12 Uhr von „Peter Schöffer“, geboren im Jahre 1425 zu Gernsheim über seine Jahre bei Johannes Gutenberg berichten. Sehr anschaulich wurde es mit der Erläuterung und Demonstration der grundlegenden Elemente der Gutenbergischen Erfindung. Wer wollte, konnte Handgießinstrument, Winkelhaken und das zugehörige „Blei“ betrachten und befühlen. Der herausragende Fortschritt, von Gutenbergs Druck mit beweglichen Lettern wurde den Gästen bei dem anschaulichen Vergleich zum Aufwand des Blockdruckes erläutert.

Die zahlreichen großenteils schwarz gekleideten Besucher*innen, ließen sich zunächst erklären, wie der Peter Schöffer zur Schwarzen Kunst gekommen ist, über seine Wanderjahre bis Paris und die bekannten Händel des Johannes Gutenberg vor Gericht in Mainz im Jahre 1455 wegen seiner Schulden. Sie mussten vom Verlust seiner Druckerei an seinen Gläubiger Johannes Fust hören und dessen nicht genug auch, dass der Peter Schöffer mit den anderen Gehilfen des Gutenberg in die Dienste des Johannes Fust traten, erfolgreich das große Werk des Druckes der zweiundvierzigzeiligen Gutenbergbibel (B 42) vollendete, und der Schöffer gar die Tochter des Fust ehelichte. Johannes Fust und Peter Schöffer verwendeten bereits ein Druckersignet, welches heute noch von der später auf dem Schöfferhof zu Mainz angesiedelten Brauerei auf die Etiketten der Flaschen gedruckt wird.

Besucher an der „Handschriften-Vitrine“. Foto: Mirella Kühne CC.BY.3.0 DE

Ein kurzer Exkurs zu der Herstellung der mittelalterlichen Handschriften machte die Dimension des Fortschritts deutlich, mit der Schrift ab 1450 vermittelbar geworden war. Ein Blick auf die Druckmöglichkeiten des 21. Jahrhunderts zeigten die wiederum stürmische Entwicklung seit dem Beginn des Buchdrucks. Zahlreiche Fragen aus dem Publikum zeigten auch die Anwesenheit von Fachleuten der schwarzen Kunst wie die einer Setzerin und eines Lektors an.

Die Schwarze Kunst – Lesung mit Christian von Aster

Nach der Führung war die Dauerausstellung in ein Lesezimmer zu verwandeln. Bereits eine Stunde vor der Lesung nahmen viele Leute auf den gerade bereit gestellten Stühlen rund um die historische Druckerpresse in der Dauerausstellung Platz. Die mehr als hundert bereitgestellten Sitzgelegenheiten waren rasch überfüllt, sodass wir zusätzlich Sitzkissen von der Museumspädagogik bereitstellten.

Mit Beginn der Lesung vergewisserte sich Herr von Aster, dass er auch ohne Tontechnik gut verstanden werde. Schließlich waren über 200 Personen über die ganze Länge der Dauerausstellung sowie in den Seitengängen zwischen den Ausstellungmodulen zu unterhalten.

Auch die seitlichen Gänge der Ausstellung waren mit dem schwarzen Publikum besetzt.
Foto: Mirella Kühne CC.BY.SA. 3.0 DE

Christian von Aster hatte natürlich humorvolle Texte passend zur „Schwarzen Kunst“ mitgebracht. Besonders anrührend eine Hommage an eine alte Buchhändlerin und ihre Katzen, welche offenbar „jedes Buch was jemals gedruckt worden ist, gelesen hatte“, und mit deren vielfältigen Empfehlungen unheimlich viele Leute beglückt wurden. Oder eine Antigeschichte zu Johannes Gutenberg, welcher im Vorfeld seiner bahnbrechenden Erfindungen, mit einem Gast aus der Zukunft und dessen fadenscheinigen, desaströsen Hochglanzdruckprodukten konfrontiert wird, und sich überlegt, ob es wirklich gut ist den Druck mit beweglichen Lettern anzuschieben… Schließlich ein Loblied auf das Buch in Form eines Gedichtes.

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Christian von Aster: Wärst du ein Buch, Video, 2023, Quelle: Youtube

Unter den zahlreichen Fragen an den Autor, vor allem zum schriftstellerischen Schaffen, kam auch die Frage nach dem Lektorat. Christian von Aster befürwortete dieses unbedingt, so es denn auch passend und gut sei. Der gut einstündigen Lesung folgten noch einige Minuten für Autogramme, dann war es Zeit dem Künstler zu danken. Das Aufräumen der vielen Stühle, Hocker und Sitzkissen, ging mit tatkräftiger Unterstützung großer Teile des Publikums überraschend schnell.

Dark Art Journaling

Der do-it-yourself Workshop war ebenfalls ein Renner. Ab 15.00 Uhr füllte sich das Museumskabinett sehr schnell, so dass bald keine Plätze mehr frei waren.

Doch was ist Art Journaling eigentlich? Mit kreativen Mitteln gestaltet man eine Art künstlerisches Tagebuch. Dark steht dabei für dunkel und unterstreicht das Angebot im Rahmen des WGT. Dazu konnte man entweder ein eigenes Tagebuch nutzen oder ausgesonderten Heften und Büchern aus den Tiefen unserer Keller eine neue Seele geben.

Die Bandbreite der kreativen Mittel im Museumskabinett umfasste WGT-Symbole und -bilder, Stadtpläne und eine Menge weiterer Papiere und Hefte zum Ausschneiden, Stanzen und Gestalten einer Collage. Außerdem konnten Acrylfarbe, Pinsel, Stifte und sogar Tusche genutzt werden. Der Renner des Workshops waren tatsächlich die Schneidemaschine und der Faden zum Binden. Die Besucherinnen und Besucher waren vorzüglich gekleidet in schwarzen edlen Roben und Kleidern. Sogar der Teufel mit seinem Lakaien schaute vorbei. Denn Anhänger der schwarzen Szene verkleiden sich nicht. Sie zeigen über ihre Kleidung ihre gefühlte Identität.

Und auch hier war das Publikum international. Teilnehmende aus Frankreich, den Niederlanden, aus England, aus verschiedenen Teilen Deutschlands und sogar aus San Francisco (USA) malten, schnitten und zeichneten und schrieben an einem Tisch. Einige davon im ganzen Familienverbund mit Oma und Enkeln – natürlich schwarz gekleidet.

Die Ergebnisse sind allesamt gelungen, eine Auswahl kann hier begutachtet werden.

Insgesamt ein gelungener Sonntag mit einem großartigen Programm.

Danke!

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Foto: DNB

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  • ISSN 2751-3238