Erlebniswelt Nationalbibliothek

3. Mai 2023
von Viviann Pieper, Fanni Fröhlich

Die DNB auf der Leipziger Buchmesse – ein Rückblick

Aktionsfläche der Deutschen Nationalbibliothek auf der Leipziger Buchmesse, Foto: Johanna Baschke, CC BY-SA 3.0 DE

Hin- und Rückfahrten mit dem ÖPNV gehören wohl gemeinhin zu den weniger erquicklichen Momenten von Messebesuchen. Nicht so 2023 in Leipzig. Regelrecht gelöst und entspannt wirkten Fahrgäste, die am 27. April 2023 um kurz nach 18:00 Uhr  mit der vollgestopften S-Bahn von „Leipzig Messe, Bahnhof“ in Richtung Innenstadt aufbrachen.

Die Stadt hat ihre Buchmesse zurück, nach drei Jahren Pandemiepause. Das machte die gute Stimmung offenbar widerstandsfähig gegen alle Strapazen des Alltags. Mit dem Ellbogen des Nachbarn in der Seite und der Achsel der Partnerin im Gesicht half man sich bei der Koordinierung des Ausstiegs und raunte sich über viele Meter die nachfolgenden Stationen zu. Ein offensichtlich aus Wien stammender Fahrgast kommentiert: „Das gäb’s in Wien nicht, da würden nur alle deppert schauen“.

Ähnlich positiv, wohlwollend und nett waren auch die Reaktionen auf die neue Aktionsfläche, mit der sich die Deutsche Nationalbibliothek (DNB) in diesem Jahr auf der Leipziger Buchmesse präsentierte. Mehrere Kolleg*innen aus Leipzig und Frankfurt betreuten an den vier Messetagen die Fläche und kamen in doch recht anregenden Kontakt mit den Besucher*innen.

Tag 1: Von „Kaputte(n) Wörter(n)“ bis Künstliche Intelligenz

Ein umfangreich zusammengestelltes Programm lockte Besucher*innen verschiedenster Interessen an. Die Buchvorstellung zur neuen Ausstellung „Jetzt & Alles“ im Deutschen Buch- und Schriftmuseum machte den Auftakt am ersten Messetag und der Andrang war groß, nachdem die Ausstellung erst zwei Tage zuvor eröffnet worden war.

Foto: Johanna Baschke, CC BY-SA 3.0 DE

Nachfolgend hatte das Messeteam mit den ersten unverhofften Wendungen zu kämpfen, da der Autor für die Buchvorstellung von „Kaputte Wörter“ leider erkrankt war. Souverän übernahm Frau Dr. Jacobs, Leiterin des Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Nationalbibliothek, das Mikrofon und diskutierte kurzerhand mit dem Publikum über Worte mit Geschichte und dem gesellschaftlichen Umgang mit diesen. Wie sieht es mit Zensur der Vergangenheit aus und sollte es Gremien geben, die sich mit dieser Literatur auseinandersetzen? Die Aktionsfläche war voll, Meinungen über Sag- und Unsagbares gingen auseinander. Ein Gast kommentiert: „Sprache besteht nicht nur aus Wörtern, sondern auch aus Intonation und Kontext“.

Weiterhin stellten die Wissenschaftlerinnen Marie Flüh und Mareike Schumacher im Gespräch mit Peter Leinen, IT-Leiter der DNB, das Digital Humanities-Projekt DisKo (Diversitätskorpus) vor. Abschließend stellte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels die neusten Bände der Buchhandelsgeschichte vor.

Tag 2

Der Freitag dann startete mit einem Interview, in dem Ruprecht Langer, Leiter des Deutschen Musikarchivs der Deutschen Nationalbibliothek, zu dessen Tätigkeitsfeld befragt wurde. In diesem versicherte er unter anderem, dass die gesammelten Tonträger „auch in mehreren hundert Jahren noch benutzbar sein“ werden.

Frank Scholze im Gespräch mit Gästen, Foto: Johanna Baschke, CC BY-SA 3.0 DE

Anschließend sprachen angehende Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste der DNB mit Ausbildungsleiterin Sybille Jungk über Ausbildung und Berufe in einer Nationalbibliothek.

Den Abschluss bildete an diesem Tag die Vorstellung des 3-D-Zeitzeugen-Interviews mit Kurt S. Maier. Besucher*innen konnten selbst aktiv werden und dem interaktiven Zeitzeugnis Fragen stellen. Mehr über die Technik dahinter erfahren Sie hier.

Tag 3: Benutzung für Anfänger*innen

Am dritten Messetag war sozusagen Benutzung für Anfänger*innen das Thema des Tages. Die Beta-Version des neuen DNB-Katalogs wurde vor- und das gesamte Tätigkeitsgebiet der Deutschen Nationalbibliothek dargestellt. So sind sicher einige Besucher*innen für Publikations- und wissenschaftliche Arbeit mit gewinnbringendem Wissen ausgestattet aus den Veranstaltungen herausgegangen.

Außerdem präsentierte Ramon Voges vom Deutschen Buch- und Schriftmuseum gemeinsam mit Studierenden der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) Leipzig ein spannendes Studienprojekt: Sie sammelten auf der Buchmesse alles, was keine ISBN hat und die Buchbranche abbildet: Faltblätter, Kuscheltiere, Legosteine und andere Merchandise-Artikel, mit denen zukünftige Generationen dann werden arbeiten können. Die Idee nach Herrn Prof. Dr. Hacker (HTWK), „die Gegenwart in die Zukunft zu bringen“, sollte durch das Anlegen einer Zeitkapsel auf der Leipziger Buchmesse 2023 umgesetzt werden. Von den gesammelten etwa 10.000 Objekte seien jedoch einige auch nicht archivfähig, wie beispielsweise Äpfel, Nüsse und Gummibärchen.

Tag 4

Christina Röckl, Foto: Johanna Baschke, CC BY-SA 3.0 DE

Ein Highlight des Messe-Sonntags war sicherlich die Vorstellung des Netzwerks „Künste im Exil“, das vom Deutschen Exilarchiv 1933-1945 koordiniert wird. Institutionen, die sich mit dem Thema Exil auseinandersetzen, machen in diesem Verbundprojekt Inhalte und Forschungsergebnisse zugänglich und fördern damit die gegenwärtige Erinnerungskultur. Die virtuelle Ausstellung enthält über 400 Briefe, Audio- und Videodateien, Fotografien und Kunstwerke. Auch von Künstler*innen, die sich noch heute ins Exil begeben.

Auch für Kinder hatte der letzte Tag noch etwas Besonderes zu bieten. Mit Bilderbuchkino und Workshop hat die Illustratorin Christina Röckl die kleinen Besucher*innen begeistert und damit das Aktionsprogramm abgerundet.

Über alle Tage hinweg, wenn die mobile Bühne eingefahren und Klapphocker weggeräumt waren, gab es neben einem Kreativangebot auch Zeit zur Auseinandersetzung mit der Frage:

Wie sieht die Bibliothek der Zukunft aus?

Mit Legosteinen konnte man hier visuell und durch Zettel schriftlich den Gedanken freien Lauf lassen und Visionen und Wünsche formulieren. Anlässlich des 111. Jubiläums der DNB sollte der Blick damit nicht nur auf Vergangenes, sondern auch auf Zukünftiges gerichtet werden.

Das thematisierte auch Frank Scholze, Generaldirektor der DNB, am Freitagnachmittag in seinem Gespräch mit der Direktorin der Universitätsbibliothek Leipzig, Dr. Anne Lipp, und schloss mit den Worten: „Nur was sich ändert, bleibt“. Und in bester Feierlaune schrieben auch einige Messebesucher*innen weitere Elfchen und machten der Bibliothek damit kleine Geschenke, die die Messewand für den Rest der Messe schmücken durften.

Mit Legosteinen bauen, Polaroids aufnehmen und Fragen stellen: die neue Aktionsfläche der DNB, Foto: Johanna Baschke, CC BY-SA 3.0 DE

Auf der Aktionsfläche waren darüber hinaus Tablets installiert, auf denen digitaler Content, wie virtuelle Ausstellungen, erlebbar war. Ein Highlight war außerdem die Möglichkeit, ein Polaroid-Foto von sich machen zu lassen. Somit hängen nun sicherlich an zahlreichen Kühlschränken der Bundesrepublik Fotos von Menschen an original Leipziger Lesesaal-Mobiliar vor der fotografisch inszenierten Nachstellung des geisteswissenschaftlichen Lesesaals.

Alles in allem wurde ein vielfältiges Programm auf die Beine gestellt und sich ausprobiert. Das konnte zwar die aus Leipzig stammenden Gäste nicht davon abhalten, in Gesprächen den nunmehr seit 33 Jahren abgelösten Namen „Deutsche Bücherei“ zu betrauern, wurde dennoch im Großen und Ganzen als sehr anregend und erfrischend empfunden. Somit endet dieser Blogbeitrag mit diesem Schmuckstück von Kommentar einer Besucherin:„Das ist kein Stand, sondern eine Erlebniswelt“.

Leipzig liest

Anlässlich des Lesefests „Leipzig liest“ kamen viele hundert Gäste zu Veranstaltungen und Führungen in die Bibliothek, unser Musikarchiv und unser Buch- und Schriftmuseum. Die Lesungen und Gespräche mit den Autor*innen Clemens J. Setz, Christiane Hoffmann sowie die von Volker Weidermann mit Clemens Meyer und Helga Schubert waren meist schon im Vorfeld ausgebucht und boten literarischen Genuss, bisweilen mit kritischen Anregungen aufgeladen.

Clemens J. Setz las in der gemeinsamen Veranstaltung von Suhrkamp Verlag, Süddeutscher Zeitung und Deutscher Nationalbibliothek aus seinem Roman „Monde vor der Landung“. Lothar Müller (SZ) moderierte.

Christiane Hoffmann las aus ihrem autobiografischen Sachbuch „Alles, was wir nicht erinnern – zu Fuß auf dem Fluchtweg meines Vaters“, sprach mit Journalistin Andrea Reidt über die 500km lange Wanderung und über das Erinnern.

In der gemeinsamen Veranstaltung der Deutschen Nationalbibliothek mit dem Verlag Kiepenheuer und Witsch „Bücher meines Lebens“ ging es „um Begeisterung, um die lebensverändernde Kraft von Büchern und darum, welche Romane herausragende Autor*innen zu den Menschen gemacht haben, die sie sind. Zu welcher Liebe, zu welchem Sport, zu welcher politischen Überzeugung, zu welchem Schreibstil, zu welchem Lebensstil das Lesen sie veranlasst hat“, so der Herausgeber Volker Weidermann. Zu Gast waren Clemens Meyer und Helga Schubert.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Johanna Baschke, CC BY-SA 3.0 DE

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