„Nicht alle, die wandern, sind verloren …“

18. Dezember 2023
von Elke Jost-Zell

Vor 20 Jahren kehrte der König zurück nach Gondor, in Der Herr der Ringe

Die Rückkehr des Königs
Der weiße Baum von Gondor blüht bei der Rückkehr des Königs Illustration von Elke Jost-Zell, Deutsche Nationalbibliothek

Jubilieren und feiern

Nicht nur die Deutsche Nationalbibliothek feiert ihren 111. Geburtstag – gleich zu Beginn des Monumentalfilms Der Herr der Ringe verwandelt der Hobbit Bilbo Beutlin an seinem 111. Geburtstag das geruhsame Hobbingen in eine wilde Partyzone.

Während wir in unseren beiden Häusern besinnlich und über das Jahr 2023 verteilt feierten, unter anderem, indem wir 111 Geschichten aus der DNB erzählten, feiert Bilbo am 22. September im Jahr 3001 des 3. Zeitalters mit einer rauschenden Party, zu der er das halbe Auenland eingeladen hat („und die andere Hälfte kommt sowieso“).

Doch nicht nur Jubiläen und Feste verbinden die Filmtrilogie des neuseeländischen Regisseurs Peter Jackson mit Büchern und Bibliotheken. Denn lange bevor der Herr der Ringe und der Hobbit die Leinwand und die Ringe der Macht die TV-Bildschirme eroberten, gab es eine Geschichte in vier Büchern, mit denen der Reigen der Ringe begann. Der Hobbit erschien 1937, der Herr der Ringe folgte 1954/1955 und beide entstammen der eleganten Feder des Schriftstellers und Oxford-Professors John Ronald Reul Tolkien.

Manchmal jedoch scheiden sich die (Ring?)geister, wenn es um Buch und Film geht …

Ein Ring, eine Geschichte – oder?

Sie kennen das sicher. Gerät man in einer Unterhaltung mit einer Person, die man nicht gut kennt, thematisch in die Richtung Fantasy, kommt einem der Herr der Ringe schnell in den Sinn und zur Sprache. Man freut sich, einen gemeinsamen Nenner für ein angenehmes Gespräch gefunden zu haben und richtet sich verbal und geografisch in Mittelerde ein. Man erzählt sich, wie mitreißend und wundervoll diese Geschichte ist, wie sympathisch der gemütliche Bilbo, wie akrobatisch der Elb Legolas, wie furchterregend die Orks, Uruk-hai und Nazgûl sind und wie sehr man mit den Hobbits Frodo und Sam auf dem Weg zum Schicksalsberg gelitten hat. Und Aragorn, seufz … Aragorn … Irgendwann scherzt man, wie schön es doch wäre, ein Wellness-Wochenende in Tom Bombadils Haus zu erleben. Nun schaut Ihr Gegenüber Sie ratlos an. Tom – wer? Hier haben Sie eine Stelle erwischt, an der sich die Wege der Buchleser und die der Filmfreunde gabeln. Tom Bombadil ist eine Figur aus Tolkiens Buchwelt, ein mysteriöser Waldbewohner, fröhlich singend und tanzend und völlig unbeeindruckt von dem Einen Ring. Diese Nebengeschichte ist eine von denen, die es nicht in das dreiteilige Kinowerk geschafft haben. Anderenfalls hätte Jackson eine Serie drehen müssen.

Das Filmprojekt war damals, als Peter Jackson in Neuseeland mit den Planungen begann, ohnehin eine gewagte Angelegenheit. Ein so vielgeliebtes Buch zu verfilmen, und nicht nur einen, sondern sich gleich durch alle drei Teile zu filmen, barg ein großes persönliches, professionelles und finanzielles Risiko. Nur die Zeichentrickfilme aus den Jahren 1966, 1977 und 1979 hatten sich bisher an diesen Stoff gewagt. Doch Jackson nahm sich ein Beispiel an Bilbo Beutlin: „Es ist eine gefährliche Sache, Frodo, aus deiner Tür hinauszugehen. Du betrittst die Straße, und wenn du nicht auf deine Füße aufpasst, kann man nicht wissen, wohin sie dich tragen.“ Wie Bilbo lief Jackson gern barfuß, und beide erlebten ein gewaltiges Abenteuer.

Kein Film ohne (Dreh)buch!

Auch Filmarbeiten beginnen mit einem Buch, dem Drehbuch, und bei einem adaptierten Werk sogar zweien, dem literarischen Werk und dem daraus entwickelten Drehbuch. Das Autorenteam, bestehend aus Regisseur Jackson und den Drehbuchautorinnen Fran Walsh und Philippa Boyens, arbeitete sich mit liebevoller Behutsamkeit und großem Respekt durch die Bücher und ließ das Drehbuch so oft wie möglich mit Tolkiens Stimme sprechen. Die gefühlsbetonten und romantischen Szenen, so räumte Jackson freimütig ein, überließ er den beiden Autorinnen, da sie das bessere Händchen dafür hatten. Die Drehbücher verwoben das literarische und das filmische Werk kunstvoll, wie die Baumornamente in Galadriels Waldheimat Lothlórien.

Vor 20 Jahren, am 17.12.2003, feierte der dritte und letzte Teil der Ring-Saga, Die Rückkehr des Königs, seinen weltweiten Einzug in die Kinos und wurde nicht nur vom Publikum bejubelt, sondern auch wenig später bei der Oscar-Verleihung von der Academy of Motion Picture Arts and Sciences mit Ehrungen überschüttet. Er gewann jeden Oscar, für den er nominiert war (auch für das Drehbuch!), insgesamt 11. Das gelang zuvor nur Ben Hur und Titanic und seitdem keinem Filmwerk mehr.

Lesen …

Mittlerweile frage ich bei Unterhaltungen über den Herrn der Ringe nach, ob ein*e Tolkien-begeisterter Gesprächspartner*in die Geschichte auch in Buchform kennt – man will ja nicht spoilern! Und ich erlaube mir ein Plädoyer für das Lesen dieser wunderbaren Bücher. Denn viele Mittelerde-Freunde greifen nach den ersten Seiten immer wieder nach den Bänden. Und schauen sich danach mit neuem Blick die Filme an. Besonders schön ist die Geschichte in ihrer englischen Originalsprache. Als der erste Film 2001 in die Kinos kam, gab es eine neue Übersetzung des dreiteiligen Buches ins Deutsche, über die sich die bücherlesende Ring-Gemeinde heftig in die Haare geriet. Ich entzog mich damals der Diskussion mit der englischen Buchausgabe.

Arbeiten …

Natürlich blättern wir Bibliothekar*innen der DNB nicht nur privat in den Buchseiten, sondern beschäftigen uns auch professionell mit den Werken rund um den Herrn der Ringe. In der Gemeinsamen Normdatei GND haben wir kunstvolle Metadaten kreiert, zum Beispiel Personendatensätze für den geistigen Schöpfer J.R.R. Tolkien, den Filmemacher Peter Jackson, den Komponisten Howard Shore und Werkdatensätze für ihre Schrift-, Film- und Musikwerke. Diese Normdatensätze sind wiederum mit den Büchern, Soundtracks und DVDs (wir nennen sie physische Medienwerke) sowie mit Netzpublikationen (digitale Werke in nicht-physischer Form), die sich mit Bilbo, Frodo & Co. beschäftigen, verlinkt. Im Katalog der DNB finden wir 148 Datensätze, die mit den Normdatensätzen für das literarische Werk, die Filme und die Musik aus dem Herrn der Ringe, verknüpft sind. Sucht man mit Titelstichwörtern, findet man 718 Katalogisate. Schauen Sie selbst, welche Schätze Sie finden, wenn Sie international nach dem Herrn der Ringe im Karlsruher Virtuellen Katalog des Karlsruher Instituts für Technologie, KIT, suchen …

Zaubern …

Doch was ist es, das Leser*innen immer wieder in 1191 Buchseiten zieht und Filmfreunde 726 Minuten atemlos vor den Bildschirm ausharren lässt? Welcher Zauber funkelt auf dem Papier, durch das Zelluloid und in Pixeln? Neun Gefährten ziehen aus einer idyllisch grünen Welt durch zahllose Kämpfe und Kriege, erleben Verzweiflung, Zerstörung und Verlust in einem vergifteten Land des Bösen, um einen seelenlosen Herrscher zu bekämpfen … und zu überlisten. Indem sie Freunde werden und einander treu bleiben. Tolkien hat viele Jahre seines Lebens mit der Kreation seiner Welt verbracht, wohlklingende und furchterregende Sprachen erfunden und jeder Geschichte in der Geschichte, jeder Figur und Kreatur, ja, jedem Staubkorn in seinem Epos Zeit und unendliche Sorgfalt gewidmet – und damit Leben eingehaucht.

Für mich hat eine Stelle gegen Ende des ersten Teils, Die Gefährten, eine ganz besondere Magie. Ein tränenüberströmter Frodo steht am Ufer des Flusses Anduin und wünscht sich sehnlichst, der Ring wäre nie zu ihm gekommen und nichts von all dem Schrecklichen sei je geschehen. Aus seiner Erinnerung spricht der Zauberer Gandalf zu ihm: „Das tun alle, die solche Zeiten durchleben müssen. Aber es ist nicht an ihnen, das zu entscheiden. Alles, was du zu entscheiden hast, ist, was du tust in der Zeit, die dir gegeben ist.“

Und Frodo geht weiter.

Elke Jost-Zell

Elke Jost-Zell ist als Bibliothekarin, GND-Redakteurin und Autorin in der Abteilung Inhaltserschließung sowie für die AG Nachhaltigkeit der Deutschen Nationalbibliothek tätig.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Elke Jost-Zell, Deutsche Nationalbibliothek

Ein Kommentar zu „„Nicht alle, die wandern, sind verloren …““

  1. Susanne sagt:

    Eine wunderbare Zusammenfassung für alle, die die Bücher und/oder die Filme mögen! Danke 🙂

Schreibe einen Kommentar

Kommentare werden erst veröffentlicht, nachdem sie von uns geprüft wurden.
Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Über uns

Die Deutsche Nationalbibliothek ist die zentrale Archivbibliothek Deutschlands.

Wir sammeln, dokumentieren und archivieren alle Medienwerke, die seit 1913 in und über Deutschland oder in deutscher Sprache veröffentlicht werden.

Ob Bücher, Zeitschriften, CDs, Schallplatten, Karten oder Online-Publikationen – wir sammeln ohne Wertung, im Original und lückenlos.

Mehr auf dnb.de

Schlagwörter

Blog-Newsletter

In regelmäßigen Abständen erhalten Sie von uns ausgewählte Beiträge per E-Mail.

Mit dem Bestellen unseres Blog-Newsletters erkennen Sie unsere Datenschutzerklärung an.

  • ISSN 2751-3238