Vom Buch zum Digitalisat
Der Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig, die Stadt Leipzig und das Königreich Sachsen gründeten 1912 die Deutsche Bücherei. Jedes ab 1913 im Inland erscheinende Werk beziehungsweise die deutschsprachige Literatur des Auslands sollte systematisch gesammelt, verzeichnet und bereitgestellt werden.
Systematisch wurde 2021, fast 110 Jahre später, an unseren Standorten in Frankfurt und Leipzig mit der Digitalisierung der ersten Zugangsjahre begonnen. In Leipzig betrifft dies die Monografien des Signaturjahrgangs 1913 ff.
Warum digitalisieren wir?
Die DNB ist die zentrale Archivbibliothek Deutschlands. Ihr gesetzlicher Auftrag umfasst nicht „nur“ das Sammeln, Verzeichnen und Erschließen der Medienwerke. Auch ihre Nutzbarmachung und dauerhafte Bewahrung sind zentrale Anliegen unserer Arbeit. Mit der systematischen Digitalisierung können wir nun die Zugänglichkeit des Bestandes erheblich verbessern. Die Digitalisate stehen über unser Portal zur Verfügung. Je nach urheberrechtlichem Status können sie entweder in unseren Lesesälen an beiden Standorten oder weltweit eingesehen werden.
Die Verfügbarkeit der Digitalisate trägt auch zum Bestandsschutz bei, denn die Originale werden seltener in die Benutzung gegeben. So können die alternden Materialien geschont und die enthaltenen Informationen weiterhin genutzt werden.
Wie wird aus dem Buch ein Digitalisat?
Zunächst überprüfen und analysieren wir die Katalogdaten des Signaturbereichs, der digitalisiert werden soll. Wir kontrollieren beispielsweise, ob ein Buch bereits digital vorliegt; ob es zu einem Titel mehrere Exemplare gibt und ob diese der gleichen oder einer anderen Auflage entstammen. Viele Fragen können allein anhand der Datensätze beantwortet werden, andere müssen wir direkt am Regal überprüfen.
Anschließend legen die Kolleg*innen der Formalerschließung halb-automatisiert neue Datensätze für Digitalisate an. Die Datensätze der Originale und der Digitalisate werden miteinander verknüpft. So können Nutzer*innen später erkennen, ob zum analogen Werk auch eine elektronische Reproduktion zur Verfügung steht.
Danach vergleichen wir im Magazin – und zwar Buch für Buch – ob die Datensätze und die tatsächlich vorhandenen Bücher übereinstimmen. Bei Bedarf werden sogenannte „Fahnen“ in die Bücher eingelegt.
Diese Fahnen kennzeichnen zum Beispiel Bücher, die nicht digitalisiert werden sollen, weil sie bereits digital vorliegen. Häufig sind aber auch mehrere Werke gemeinsam gebunden. Innerhalb dieser „Bindeeinheiten“ markieren die Fahnen, wann das nächste Werk und somit ein neues Digitalisat beginnt.
Klingt nach viel Aufwand? Das ist es auch, aber der lohnt sich. Nur durch diese akribischen Vorarbeiten kann die eigentliche Digitalisierung mit der nötigen Geschwindigkeit durchgeführt werden.
1 Million digitalisierter Seiten
Obwohl der gesamte Bestand der DNB inzwischen über 400 Regalkilometer umfasst, bleiben die Auswirkungen der systematischen Digitalisierung im Magazin nicht unbemerkt. Dort, wo normalerweise Bücher dicht an dicht stehen und Platz Mangelware ist, herrscht plötzlich gähnende Leere.
Die zahlreichen, der Digitalisierung vor- und nachgelagerten Arbeitsschritte sind erforderlich, um einen routinierten und störungsfreien Ablauf gewährleisten zu können. Viele Kolleg*innen aus unterschiedlichen Abteilungen sind involviert. So werden viele Puzzleteile zusammengesetzt, bis schließlich tausende digitalisierte Werke mit sehr viel mehr Seiten entstanden sind.
Etwa ein Jahr nach dem Start der systematischen Digitalisierung in Leipzig freuen wir uns nun über einen Meilenstein: 1.000.000 Seiten konnten bereits digitalisiert werden.
Arkhênum, eine auf die Digitalisierung von Kulturgut spezialisierte Firma, hat in den Räumen der DNB eine Digitalisierungsstrecke errichtet.
Die Bücher werden von ihrem regulären Standort im „Bücherturm“ in die Digitalisierungswerkstatt gebracht und dort an mehreren Scannern bestandsschonend digitalisiert.
Außerdem werden im Zuge der Digitalisierung Metadaten erstellt und eine Texterkennung durchgeführt. Mitarbeiter*innen der DNB überprüfen die Scans, die Metadaten und die Texterkennung. Danach werden diese Dateien in die Speichersysteme der DNB überführt und über das Portal bereitgestellt.
Aber was macht die Digitalisierung eigentlich systematisch?
Die DNB möchte über ihre Sammlung eine „digitale Schicht“ legen. Durch eine Vielzahl von anderen Digitalisierungsmaßnahmen sind ausgewählte Bestände bereits digital verfügbar. All diesen Maßnahmen lagen jedoch konkrete Schwerpunkte zu Grunde, d. h. Bücher wurden für die Digitalisierung ausgewählt.
In der systematischen Digitalisierung wird nun Regal für Regal, Fach für Fach, Buch für Buch und Seite für Seite digitalisiert. Durch diesen systematischen Ansatz digitalisieren wir auch die Bestandsgruppen, die bisher noch zu keinem anderen Auswahlkriterium gepasst haben.
Die systematische Digitalisierung schließt also diese Lücken – auch, wenn die leeren Regale im Magazin vielleicht zunächst anderes vermuten lassen.
Nach der Digitalisierung werden übrigens auch die Regale wieder gefüllt. Alle Bücher werden weiterhin für künftige Generationen aufbewahrt.
Vielen Dank für diese Einführung für die Digitalisierung Ihrer Bestände. Mich interessiert, ob bei der Digitalisierung ein Werk mit mehreren Ebenen erfasst wird, die für eine spätere Nutzung des Endergebnisses vorbereitet. Wo kann ich mehr darüber erfahren?
Vielen Dank für Ihr Interesse an der Digitalisierung unserer Bestände!
Bei der Digitalisierung erfassen wir keine Kapitelüberschriften oder andere Strukturebenen.
Aufgrund der zu digitalisierenden Menge ist dies nicht zu leisten.
Für Analysen im Rahmen von Digital Humanities stehen strukturierte Volltexte der Digitalisate zur Verfügung, z.B. über unser DNB-Lab (https://www.dnb.de/DE/Professionell/Services/WissenschaftundForschung/DNBLab/dnblab_node.html).