Unverzichtbare Begleiter

28. September 2023
von Aline Meyer

Bücherwagen

Gern genutzte Bücherwagen mit drei Rollen und vier Rollen im Magazin der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig. 2023 / Foto: Jasmin Lorenz

Bücherwagen sind in Bibliotheken omnipräsent. In unzähligen verschiedenen Ausführungen sind die wendigen und belastbaren Begleiter in jeder Ecke einer Bibliothek anzutreffen. Sie sind unverzichtbare Alltagshelfer für die Mitarbeiter*innen in der Deutschen Nationalbibliothek (früher Deutsche Bücherei) Leipzig und dienen, neben der Buchtransportanlage (BTA), bspw. zum Transport von Büchern, Zeitschriften und Archivboxen.

Die bunte Welt der Bücherwagen

Bücherwagen gibt es in einer breiten Palette, in den verschiedensten Größen und, je nach Hersteller, gibt es sie in den unterschiedlichsten Ausführungen. Besonders beliebt sind die universal einsetzbaren Standardmodelle mit vier Rädern und drei Böden für die breite Nutzung in einer Bibliothek. Neben ihnen gibt es auch Spezialtypen für den besonderen Einsatz wie beispielsweise Transportwagen für schwere Lasten, hohe Regalwagen, Fahrräder und sogar zweckentfremdete Einkaufswagen.

Besonders Großbibliotheken, wie es die Deutsche Nationalbibliothek ist, differenzieren bei der Anschaffung von Bücherwagen nach den einzelnen Bereichen und ziehen auch Spezialtypen in Betracht – besondere Medienformate verlangen nach besonderen Bücherwagen. Hauptkriterien für die Auswahl sind Einsatzzweck, Material, Tragfähigkeit und Stabilität sowie Größe und Form. Beispielsweise würde in einem engen Magazin ein schmales und besonders wendiges Modell zum Einsatz kommen. Für weite Wege sind in der Deutschen Nationalbibliothek auch schon Fahrräder mit Korb zum Einsatz gekommen!

Ein vielfältiger Fuhrpark

Bereits 1912 in der Zeit der Gründung der Deutschen Bücherei Leipzig waren Bücherwagen ein fester Bestandteil des Arbeitsalltags. Über die letzten 110 Jahre hinweg befanden sich viele Bücherwagen im Einsatz, die verschiedener nicht sein könnten. Zum 100. Geburtstag der Deutschen Bücherei wurden die unverzichtbaren Begleiter mit einer Postkartenserie zelebriert. Die zehn Motive der Serie „Der Fuhrpark der Deutschen Nationalbibliothek. Bücherwagen im Wandel der Zeit“ zeigen die besondere Vielfalt der Bücherwagen an den Standorten Leipzig und Frankfurt am Main. Neben herkömmlichen Bücherwagenmodellen wurde auch unkonventionelle Modelle wie eine Kraxe und ein Fahrrad sowie historische Bücherwagen in Szene gesetzt.

Die Postkartenserie „Der Fuhrpark der Deutschen Nationalbibliothek. Bücherwagen im Wandel der Zeit“. 2022 / Fotografen: Stefan Hoyer PUNCTUM (Leipzig) & Stephan Jockel, DNB (Frankfurt)

Fragmente der Vergangenheit: die Rohrpostanlage NW 55

Wie lief die Medienbestellung in der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig (vor 2006 Deutsche Bücherei) früher ab, bevor es Emails und den Online-Katalog der DNB gab? Wie funktionierte der schriftliche bibliotheksinterne Informationsaustausch? Liefen die Mitarbeiter*innen mit Leihscheinen und anderen Schriftstücken unzählige Male am Tag kilometerweit durch die Bibliothek? Nein, dafür gab es eine innerbetriebliche Hausrohrpostanlage.

Blick in die Medienausleihe, hinten links die Rohrpostanlage. 1965 / Foto: Herbert Strobel

Vor dem digitalen Informationsaustausch

Bevor die Rohrpost in die 1912 gegründete Deutsche Bücherei Leipzig Einzug hielt, wurde sie ab 1865 zuerst im Post- und Fernmeldewesen genutzt. Sie diente der Beförderung von Schriftstücken, Waren- und Werkstoffproben sowie von leichten Gegenständen. Die Rohrpost galt als schnell, zuverlässig, geheim und sicher.

Die Gründung der Deutschen Bücherei ging einher mit der Blütezeit des Rohrpostsystems. Das System profitierte in dieser Zeit von technischen Neuerungen und entwickelte sich zu einem modernen, ausbalancierten und effizienten System zum schnellen Informationsaustausch. Ab einem Bestand von 1 Millionen Medien war es in den Bibliotheken damals üblich, eine Rohrpostanlage zu nutzen. In der Deutschen Bücherei wurde die Rohrpost zum Verschicken von Leihscheinen und zur Kommunikation innerhalb des Hauses genutzt.

In der Deutschen Bücherei wurde eine Hausrohrpost-Kleinanlage vom Typ NW 55 genutzt, installiert wurde sie durch die Firma F. Hardegen & Co. aus Berlin. Das Kürzel „NW 55“ bezieht sich auf den Durchmesser der Rohre, der 55 mm betrug. Die Rohrpostbüchsen, in denen Leihscheine und andere Schriftstücke versendet wurden, wurden mit einem Durchmesser von 53 mm den Rohren angepasst.

Die kleinen und handlichen Büchsen konnten mit maximal 220 Gramm Inhalt beladen werden. Befüllt wurden die Büchsen durch einen aufklappbaren Verschluss an der Seite, der mit einem Druckknopf verschlossen werden kann. Die Seitenkanten der Büchsen wurden mit Merinowolle ummantelt, einerseits zur Stoßdämpfung, andererseits um zu verhindern, dass sich die Büchsen beim Transport elektrostatisch aufladen.

Mit Pneumatik zum Ziel

Rohrpostanlagen funktionieren über ein pneumatisches System, in dem die Büchsen durch die Erzeugung von Unter- und Überdruck und den daraus entstehenden Luftstrom schnell transportiert werden. Angetrieben durch einen Elektromotor, der mit Saug- und Luftrohren verbunden war, erreichten die Büchsen in den Rohren eine Geschwindigkeit von ca. 8m/s (Büchsenfahrgeschwindigkeit genannt).

An ihr Ziel gelangten die Büchsen über ein Doppelrohrsystem: ein Sende- und ein Empfangsrohr. Die Bereiche der Deutschen Nationalbibliothek (u.a. Medienausgabe oder Magazine) waren über vier Hauptleitungen miteinander vernetzt, die in 20 im Haus verteilten Stationen mündeten. Wichtige Stationen waren beispielsweise die Medienausleihe, die Bücherspeicher und das Zeitschriftenmagazin. An jeder Station wurden die Mitarbeiter:innen über das Ankommen einer Büchse durch ein optisches und akustisches Signal informiert.

Das Ende einer Ära

Ab 1985 ließ die Benutzung der Rohrpostanlage nach und während der Wartungsarbeiten 1985/86 wurden bereits einige Stationen im Haus demontiert. Dennoch wurde sie noch weit bis in die 1990er genutzt und das letzte Mal im Januar 2000 gewartet. Danach wurde die Hausrohrpostanlage im ganzen Haus demontiert. Doch hinter den Kulissen sind noch einige, nicht funktionsfähige Relikte verblieben: Sende- und Empfangsrohre, versteckt in einem Schrank im Zeitschriftenlesesaal, sowie eine Rohrpoststation im 4. OG.

Aline Meyer absolvierte einen Bachelor-Studiengang Museologie an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig und setzt ihre akademische Laufbahn aktuell mit einem Masterstudiengang Kunstgeschichte an der Universität Leipzig fort.

Im Kontext seiner Kooperation mit der Wissenschaft hat das Deutsche Buch- und Schriftmuseum im Wintersemester 2022/23 einen Lehrauftrag an der Universität Leipzig durchgeführt, das sich unter dem Aspekt der Gestaltung, Funktionen und Ästhetiken des Speicherns mit der spannenden 111-jährigen Geschichte der DNB beschäftigt. Es ist eine in der Strategie der DNB fest verankerte Lehrkooperation, deren Ergebnisse zugleich Auskunft geben über 111 Jahre Bibliotheksgeschichte.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Herbert Strobel

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