Das Magazin als Filmkulisse
Spot on – Die Magazine der Deutschen Nationalbibliothek (Frankfurt am Main)

Haben Sie sich als Kind ein bisschen gefürchtet, alleine in den Keller zu gehen, aber trotzdem (gruselig)spannende Geschichten geliebt? Haben Sie manchmal heimlich unter der Bettdecke gelesen, wenn alle in der Familie längst geschlafen haben?
Dann stehen die Chancen gut, dass Sie bei einem Blick in eines der Magazine der DNB zum Beispiel im Rahmen einer Führung durch einen unserer beiden Standorte, Ihre Fantasie Überstunden macht und sich wieder der angenehme Grusel aus der Kindheit einstellt.
Bibliotheken sind nicht nur Wissensvermittler und Orte der Demokratie, sie bewahren diesen Wissensschatz auch für nachfolgende Generationen auf. In diesem Beitrag zeige ich Ihnen wie Bibliotheken und deren Magazine auch die Fantasie von Film- und Fernsehschaffenden anregen.
DER Film über eine mittelalterliche Bibliothek: Der Name der Rose
In der Literaturverfilmung „Der Name der Rose“ (The Name of the Rose, BRD, Italien, Frankreich, 1986) versteckt der blinde Bibliothekar Jorge de Burgos eifersüchtig seine größten Schätze in einer Labyrinth-ähnlichen Bibliothek, mordet mit vergifteten Buchseiten und gibt am Ende die ganze Bibliothek mit dem fiktiven Kloster lieber den Flammen preis, als seinen größten Schatz den Wissensdurstigen zur Verfügung zu stellen. Das Objekt der Begierde war ein als verschollen geltender zweiter Teil von Aristoteles Poetik.
Die Macher des Films bezeichneten ihr Werk in den Opening Credits als ein Palimpsest, also ein Schriftstück, dessen Text abgeschabt und durch neuen Text ersetzt wurde. Umberto Eco selbst äußerte sich in einem Interview mit der Zeit zu dem Film und hier konnte man seine Wertschätzung für andere Herangehensweisen an sein eigenes Werk und für andere Künstler herauslesen.
Eine Großzügigkeit, die es erlaubt, Neues zu schaffen, Wissen zu teilen und weiteren Personengruppen den Zugang zu seiner Publikation ermöglichen.
Aufbewahrung für die Ewigkeit – Fiktion versus Realität
In den Literaturverfilmungen von J. K. Rowlings Harry-Potter-Romanen tauchen schreiende oder beißende Bücher auf und erschrecken dabei nicht nur Bibliothekar*innen, die gerade noch entspannt mit dem Popcorn in der Hand im Kinosessel saßen.
In der Realität lagern wir im Magazin Millionen Medien. Sie haben nur im übertragenen Sinn das Bedürfnis nach Streicheleinheiten wie das bissige Buch bei Rowling. Bücher fühlen sich bei 10°-18° Celsius, Dunkelheit und geringer Luftfeuchtigkeit am Wohlsten. Die Magazine sind bei circa 18° Celsius, mit geringer Luftfeuchtigkeit zwischen 50-60 Prozent und Dunkelheit eingestellt.
Ein Kompromiss zwischen den Bedürfnissen von Mensch und Buch.
Wachsende Magazine – Fiktion versus Realität
Ein bisschen beneidet man als Bibliothekar*in die Secret Service Agenten in der Serie Warehouse 13. Ihr Warenhaus, auch eine Art Archiv, scheint fast ein Lebewesen zu sein, das seinen Bestand gegen Diebe oder Insekten selbstständig verteidigt und bei Bedarf einfach wächst. Das automatisch wachsende Magazin muss bisher ein Traum bleiben. Benötigen wir mehr Platz, müssen wir bauen, wie man am geplanten 5. Erweiterungsbau – ein Magazinbau – für das Leipziger Haus sehen kann.
Ordnung bewahren – Fiktion versus Realität
„Ich bin eine Bibliothekarin!“ Aus: Die Mumie, USA, 1999
Die Ägyptologin und Bibliothekarin Evelyn zerstört in Die Mumie (Orig.-Titel: The Mummy, USA, 1999) beim Einsortieren von Büchern mit ihrer Akrobatik auf einer Bibliotheksleiter fast die antike Bibliothek des Ägyptischen Museums in Kairo. Wer die Bibliothek bzw. das Filmset danach aufgeräumt hat, ist nicht überliefert. Tatsächlich achten wir sehr auf Ordnung und ein staubarmes Umfeld für unsere Schätze. Akrobatische Einlagen meiner Kolleg*innen waren dafür bisher noch nie notwendig und auch wenn unsere Regale im Boden verankert sind, würde ich davon abraten, zwischen ihnen z.B. im Lesesaal Fitness-Übungen durchzuführen, es könnte einen mahnenden Blick einer wachsamen Kollegin oder eines Kollegen nach sich ziehen. Im Film wird die Bibliothekarin von einer liebeskranken Mumie verfolgt. Was wir in der DNB als Mumien bezeichnen und wie wir mit (liebeskranken?) Mumien verfahren, können Sie hier nachlesen.
Die Kompaktanlage im Magazin – Fiktion versus Realität
Das Frankfurter Magazin beherbergt eine Kompaktanlage. Auch Kompaktanlagen üben eine eigenartige Anziehungskraft auf Drehbuchautor*innen aus, die dabei scheinbar sofort an Mord und Totschlag denken.
In einer Folge von Kommissar Rex (Staffel 6, Folge 11. Jagd nach dem ewigen Leben, Deutschland/Österreich, Erstausstrahlung 2000) wird ein Besucher im Lesesaal der Österreichischen Nationalbibliothek mit einem herabfallenden Buch ermordet. Ein Albtraum, den Bibliothekar*innen in aller Welt teilen.
Danach wird ein Archivar in einer Kompaktanlage durch zwei Täter zerquetscht. Trotz Recherche konnte ich nicht endgültig klären, wie realistisch diese Mordmethode ist – belassen wir es in der Fiktion. Es ist nachvollziehbar, dass die Hersteller von Kompaktanlagen als auch der TÜV zur Prüfung der Sicherheit in Magazinen der Fantasie einiger Drehbuchautor*innen weniger Gehör schenken.
In der Serie Bones (Staffel 7, Folge 6. Abraham Lincoln und der Knochencode, Originaltitel: The Crack in the Code, USA; 2012) wird es besonders gruselig als ein Serientäter, ein Katz- und Maus-Spiel mit der Anthropologin und dem FBI Agenten beginnt. Ein Höhepunkt ist ein Leichenfund – Sie ahnen es bereits – in der Kompaktanlage eines amerikanischen Archives.
Ein Besuch im Magazin – keine Fiktion nur Realität
Wenn Sie uns besuchen und durch das Magazin geführt werden, werden Sie verstehen, woher diese Gedanken kommen. Man fühlt sich ein bisschen verloren, und wer die Fantasie schweifen lässt, dem scheinen Bücher, die zum Leben erwachen, Bösewichte, die mit verderblichem Material durch die Gänge schleichen, nicht mehr unmöglich. Filmschaffende scheint die Ordnung sowie das Verbot von verderblichen (organischen) Materialien in Magazinen besonders zu reizen.
Im Sommer ist das Magazin in der Hitze einer Großstadt ein überaus angenehmer Arbeitsplatz. Kolleginnen, die im Magazin arbeiten, Bestellungen ausheben und nach der Rückgabe wieder an ihren rechtmäßigen Ort stellen, erkennt man auch daran, dass sie selbst im Sommer gerne einen dicken Pullover oder eine Strickjacke zur Hand haben.
Die Stille im Magazin, die Ruhe im Lesesaal kann nicht nur für Künstler*innen Inspiration sein – sie lädt uns ein, für einige Stunden den Stürmen unserer Zeit zu entfliehen.

Christina Filbert
ist im Bereich Bestandsaufbau und Formalerschließung der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt tätig. Sie ist Bibliothekarin und Autorin.