Der Heftroman – aus dem Nachlass Horst Dintelmanns

20. Januar 2025
von H. Edelburg, J. Tran

Der Nachlass

Die Deutsche Nationalbibliothek erhält den Großteil ihrer Sammlung über die Pflichtabgabe, die durch das Gesetz über die Deutsche Nationalbibliothek geregelt ist. Zusätzlich werden Medienwerke aber auch durch Kauf oder als Geschenk erworben, bei deren Bearbeitung einiges zu beachten ist.

So erhielten wir auch einen Nachlass von Horst Dintelmann, Regierungsdirektor a. D., der zuletzt in Bonn lebte. Dintelmann engagierte sich bis zu seinem Tod für unterschiedliche kulturelle und forschende Einrichtungen und förderte diese sowohl finanziell als auch durch aktive Mitarbeit, wie zum Beispiel für die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. Ein besonderes persönliches Interesse galt wohl den so genannten Heftromanen, um welche es sich in seinem Nachlass für die Deutsche Nationalbibliothek handelt. Wohl schon in seiner Jugend sammelte und las er diese Literaturgattung gerne. Daher machte er es sich zum Ziel eine möglichst vollständige Sammlung beliebter als auch seltener Titel zusammenzustellen. Im regen Austausch mit anderen Heftroman-Liebhabenden tauschte er doppelt vorhandene Hefte gegen Originale und Reprints fehlender Hefte. Seine kumulierte Arbeit vermachte er nach seinem Tod der Deutschen Nationalbibliothek, um etwaige Lücken im Bestand zu schließen.

Verpönte Literatur

Heftromane, die manch einem vielleicht auch unter dem Begriff „Groschenroman“ oder „Kioskliteratur“ bekannt sind, erscheinen bereits seit den späten 1800er Jahren. Ihre Hochzeit hatten sie vor dem ersten Weltkrieg, und ein späteres Revival nach dem zweiten Weltkrieg. Doch auch heutzutage sind die Groschenromane, die ihren Namen durch den erschwinglichen Preis erhielten, nicht mehr vom Buchmarkt wegzudenken1. Von Science-Fiction wie „Perry Rhodan“ oder Romanzen wie „Dr. Norden“ decken Heftromane jedes erdenkliche Genre ab und erfreuen sich einer großen Leserschaft. Auch ein wissenschaftliches Interesse besteht an den kleinformatigen Heftchen, wie unsere Kooperation mit dem Lehrstuhl in Würzburg zeigt. Die Kioskliteratur hat schon immer einen schweren Stand in der Gesellschaft.

Oftmals als gehaltlos oder minderwertig abgestempelt, gab es in den 1950er Jahren in Österreich sogar Versuche, die Verbreitung durch rechtliche Einschränkungen zu verhindern2. Auch die Nationalsozialisten in Deutschland sahen die Heftromane als „unpassend“ an. Dementsprechend ging einiges verloren, weshalb die Arbeit von passionierten Sammlern von großer Bedeutung ist. So verzeichnet leider auch die Deutsche Nationalbibliothek Kriegsverluste und Bestandslücken, die unter anderem durch Dintelmanns Nachlass geschlossen werden sollen. Vier Reihen hinterließ uns Horst Dintelmann: „Tom Prox“, „Rolf Torring’s Abenteuer“, „John Kling‘s Abenteuer“ und „John Kling‘s Erinnerungen“.

Die Reihen

Rolf Torring
Rolf Torring’s Abenteuer war eine Reihe von Abenteuerromanen, die zwischen 1930-1939 im Verlag “Neues Verlagshaus für Volksliteratur” erschien. Die ersten Ausgaben wurden vom Autor Wilhelm Reinhard untern dem Pseudonym Hans Warren veröffentlicht. Später kamen neue Autoren hinzu, sie schrieben aber weiterhin unter demselben Sammelpseudonym. Die Romane spielen vor allem in Asien, aber auch Afrika, Südamerika und sogar Deutschland liefern die Schauplätze für die Geschichten. Bis zum Kriegsbeginn erschienen 445 Ausgaben, dann mussten die Romane ihr Erscheinen einstellen. Einige Ausgaben wurden nicht gleich veröffentlicht, sondern erst nach dem Krieg in kleiner Auflage in Umlauf gebracht.

Es gibt einige inoffizielle Fortsetzungen von Autoren, die an die Verlagsausgaben anknüpfen, allerdings laufen die Heftnummern teilweise parallel zueinander. Zusätzlich gibt es eine Neuauflage des Verlags (1949-1960), bei der unter anderem massive Eingriffe in den Text vorgenommen wurden. Durch die Zensur der Reichsschrifttumskammer wurden weitere Änderungen vorgenommen, unter anderem auch die Vergabe von neuen Hefttiteln. Durch diese teils unübersichtlichen Gegebenheiten ist eine genaue Identifizierung der Manifestationen nicht immer leicht. Auch heute erscheinen noch Titel der Reihe in Kleinstauflagen und erweitern somit Rolf Torrings Kosmos.

Tom Prox
Die Tom Prox Serie wurde 1950 von Joachim Rennau unter dem Pseudonym Rolf Randall ins Leben gerufen, bevor weitere Autoren hinzukamen. Der Bekannteste unter ihnen war wohl G.F. Unger ab Band 30 der Serie. Als Charakter tauchte Tom Prox bereits in denWesternromanen Billy Jenkins’ auf, welche im Setting und von den Charakteren so ähnlich waren, dass später einzelne Tom Prox Romane als Billy Jenkins Romane nachgedruckt wurden.

Als Captain eines kleinen Teams (“Ghost-Squad”) erledigt Tom Prox im Auftrag der Regierung Bösewichte. Mit 314 Bänden zählte die Serie zu den erfolgreichsten Western der 1950er Jahre. Dabei wurden auch eher unüblichere Themen aufgegriffen, wie zum Beispiel Piratenschätze oder Dinosaurierskelette.

Zusätzlich zu den Originalromanen gab es 150 Leihbuch-Ausgaben. Nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Anfang der 1970er Jahre entwickelte sich der Trend der Leihbücherei. Verlage produzierten sogenannte “Leihbücher” mit farbenfrohem Hardcover, dickem Papier und großer Schrift. Meist in gekürzter Form, konnte man sich gegen eine geringe Gebühr an Kiosken, kleinen Geschäften oder eben gewerblichen Leihbüchereien an den Veröffentlichungen erfreuen.

John Kling
Der Romanheld John Kling hatte sein Debüt 1923 im Roman „Das Goldtal“ (Band 22 der KrimiReihe „Welt-Kriminal-Bücherei“, Dietsch Verlag). An der Reihe „Welt-Kriminal-Bücherei“ waren viele verschiedene Autoren beteiligt. Sie erschien von 1923 bis 1939 und umfasst insgesamt 592 Bände. Darunter erschienen einige John Kling Romane in der Unterreihe „John Kling’s Abenteuer“. Der Dietsch Verlag veröffentlichte zwischen 1931-1939 ebenfalls die Reihe „John Kling’s Erinnerungen“ mit insgesamt 215 Bänden.

John Kling verkörpert in den ersten Bänden einen Helden, der die Reichen ihrer Besitztümer beraubte und an die Armen verteilte. Als die Krimi-Reihe jedoch 1934 der Reichsschrifttumskammer der Nationalsozialisten ins Auge fiel, änderte der Dietsch Verlag das Serienkonzept und John Kling verkörperte seitdem einen Auftragsdetektiven. Des Weiteren entfielen in dieser Zeit die Heftnummerierung und der Reihentitel. Auch die Heftcover wurden entschärft. Im Jahr 1939 wurde die Reihe „John Kling’s Abenteuer” von den Nationalsozialisten verboten, sodass der Verlag folglich das Erscheinen der Heftromane einstellte.

1949-1954 wurde die Vorkriegsserie „John Kling’s Abenteuer“ durch den John Kling Verlag wiederbelebt, wobei John Kling in 161 Bänden weitere Abenteuer erleben durfte. Der Verlag veröffentlichte neben neuen Abenteuern auch Neuauflagen der Vorkriegsserie des Dietsch Verlags. Ab Band 11 wurde die Reihe vom Deutschen Kleinbuch Verlag verlegt und ab Band 31 erschien sie im Petersen Verlag.

Doch nicht nur „John Kling’s Abenteuer“ fand seinen Weg zurück zu alten und neuen John Kling Fans. Auch die Reihe „John Kling’s Erinnerungen“ wurde 1952-1954 in 26 Bänden auf den Buchmarkt zurückgebracht.

Bearbeitung des Nachlasses

Horst Dintelmanns Nachlass besteht aus Originalen, Reprints und Neuauflagen. Daher kann der Nachlass in der Sammlung der Deutschen Nationalbibliothek leider nicht gebündelt aufgestellt werden. Jede Reihe erhält einen eigenen übergeordneten Datensatz, abhängig von dem Herausgebenden. Außerdem werden alle Ausgaben einzeln verzeichnet, weswegen die Hefte separat aufgestellt werden.
Zunächst erfolgte also die Sichtung der Bestände. Dabei ist es wichtig auf den Erhaltungszustand der Hefte sowie auf die Veröffentlichungsangaben zu achten. Dafür haben wir im Vorfeld in einer Excel-Tabelle vor allem den physischen Zustand und die Verfügbarkeit in unserer Sammlung aufgelistet. Es stellte sich heraus, dass viele Titel neu aufgenommen werden müssen, da uns diese Ausgaben bisher noch nicht vorlagen.

Im Bestand bereits vorhandene Titel haben wir für einen späteren Abgleich gekennzeichnet. Je nach Erhaltungszustand wurden die “neuen” Ausgaben mit der alten Signatur beschriftet und ausgetauscht. Viele Hefte wurden durch unsere hausinterne Bestandserhaltung gereinigt und repariert, sodass weitere Lücken geschlossen werden konnten. So zum Beispiel die Ausgaben des Ursprungsverlags “Neues Verlagshaus für Volksliteratur“. Die Ausgaben des österreichischen Druckers “Ganzbiller” erhielten eine neue Reihenaufnahme und wurden auf Grund ihres Veröffentlichungsortes am Leipziger Standort eingearbeitet.

Zum Schluss

Abschließend bleibt uns nur ein großes Dankeschön an alle beteiligten Kolleg*innen auszusprechen – die schnelle und reibungslose Bearbeitung des Nachlasses konnte nur durch unsere gemeinsame Zusammenarbeit gelingen. Der größte Dank gehört jedoch Horst Dintelmann, nicht nur für das Überlassen der Sammlung, sondern auch für die akribische Zusammenfassung der Veröffentlichungen, den engagierten Austausch mit Anderen und schlussendlich für die Sammlung von literarischen Werken mit kultureller Bedeutung, denen Gefahr drohte, in Vergessenheit zu geraten.

Weiterführende Informationen zum Thema Heftroman
  1. https://www.deutschlandfunkkultur.de/der-groschenroman-und-seine-leser-grosses-glueck-fuer-100.html, Zugriff am 16.1.25 ↩︎
  2. https://www.bastei.de/UEber-uns/Wissenswertes-zum-Romanheft/, Zugriff am 16.1.25 ↩︎
*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Foto: DNB, Jo-Aenna Tran

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  • ISSN 2751-3238