Bestellt und abgeholt – und dazwischen?
Die Bereitstellung von Büchern für die Lesesäle ist ein automatisierter Prozess, von dem der/die Nutzer*in wenig mitbekommt. Per Mausklick oder Wischen auf dem Smartphone ist das Werk bestellt und liegt zeitnah zur Nutzung bereit. Doch wie kommen die Bücher aus den Magazinen der Nationalbibliothek in die Medienausleihe? Laufen zahlreiche emsige Mitarbeiter*innen jeden Tag in die Magazine und holen die Bücher? Die sicher nicht überraschende Antwort ist heutzutage Nein, oder eher Jein, denn es kommt drauf an, in welchem Magazin das gewünschte Werk steht.
Automatisierter Medientransport
Einen Großteil des Weges übernimmt in der Deutschen Nationalbibliothek die BTA – die Buchtransportanlage. Technisch nüchtern betrachtet handelt es sich dabei um eine automatische Förderanlage mit adressierbaren Transportbehältern zum waagerechten und senkrechten Transfer von leichten Gütern, in unserem Fall von körperlichen Medienwerken. Wer in den 1970er-Jahren Kind sein durfte, denke einfach an die WDR-Kinderserie „Lemmi und die Schmöker“, welche die damals noch futuristische Anlage einem größeren Publikum bekannt machte.
Im Einsatz waren solche Anlagen seit den 1960er Jahren, auch schon in der Deutschen Bücherei in Leipzig.
Eine größere und moderne Anlage folgte in den 1990er Jahren. Zu dieser Anlage gehörte in Leipzig auch eine begehbare „Bücherröhre“ zwischen Bibliotheksbau und Bücherturm. Sie war ein Highlight bei jeder Sonderführung. Inzwischen deutet nur noch ein heller Fleck im Außenputz auf die einstige Verbindung zwischen den Gebäuden hin.
Seit 2010 erfolgt der „automatisierte Medientransport“ in Leipzig über eine, später nochmals erweiterte Anlage des Fabrikats MultiLift der Firma SWISSLOG -TELELIFT. Schnell, schonend, effizient und zeitsparend – so verspricht die Produktinformation – kommen die Bücher ans Ziel.
Zahlen und Fakten
Nur ca. 10 Minuten braucht die Bücherkiste für die maximale Entfernung von der obersten Etage des Bücherturms bis zur Medienausleihe. Da Gegenverkehr ausgeschlossen ist, gibt es einen ausgeklügelten Plan, welche Mitarbeiter*innen wann die Anlage bedienen oder im Fachjargon „Jobs“ erteilen. Denn nicht nur die Nutzer*innen warten auf die Bereitstellung der Medien, auch für Transporte neu eingetroffener Medien wird die Anlage teilweise genutzt. Das betrifft täglich circa 1.942 körperliche Medienwerke (1), die ihren Weg im Medieneingang antreten, um nach der Erschließung in einzelnen Abteilungen letztlich in einem der Magazine ihren Platz zu finden. Die Buchtransportanlage in Leipzig hat eine Wegstrecke von circa 500 Metern. Alle Bänder und Lifte zusammengerechnet kommt sie auf eine Länge von etwa 1 Kilometer. Zur Anlage gehören circa 400 Transportkisten. Sie bedient 44 Stationen, nutzt 10 Aufzüge und erreicht eine Maximalgeschwindigkeit von 3,6 km/h.
Nicht nur Technik
Dass alles reibungslos läuft, verdanken wir übrigens Torsten Zieß, einem Mitarbeiter der Herstellerfirma. Zweimal die Woche schaut er hier nach dem Rechten und kennt jede Kurve und Biegung der Anlage. S-Kurven sind die größte Herausforderung, sagt er. Falls es mal irgendwo mit der Technik hängt, muss der Mensch nachjustieren. Dann muss auch mal in die platzsparenden Wanddurchbrüche und Lifte gegriffen werden, um eine Kiste wieder auf Spur zu bringen, was aber selten nötig ist.
Am Ende/zu Beginn der Stationen stehen (Stand 2021) auch keine Roboter, sondern echte Menschen, nämlich unsere Mitarbeiter*innen. Sie heben die maximal 25 Kilogramm schweren Kisten und befördern die Bücher zurück ins Regal (oder umgekehrt). Zu ihnen gehört zum Beispiel Claudia Engelmann, die mir viele Fragen zur Transportanlage beantwortet hat. Wann immer ein Buch zu groß oder fragil für die Transportkiste ist, kommt der Bücherwagen zum Einsatz, erzählt sie. Auch in den Magazinen, an welche die Anlage nicht angeschlossen ist, ist der Bücherwagen das Mittel der Wahl und hat als erprobter „Mitarbeiter“ nicht selten auch einen Namen.
Ein Blick in die Bücherkiste
Die Bücher in den Kisten der heutigen Buchtransportanlage werden übrigens liegend transportiert. Damit sie während der Fahrt nicht verrutschen oder gar Eselsohren bekommen, setzen die Kolleg*innen beim Kistenpacken kleine Luftpolsterpäckchen in die Hohlräume. Über die Anlage dürfen natürlich nur Bücher (u.a. körperliche Medienwerke wie beispielsweise CDs) von A nach B transportiert werden. Büromaterial oder was einem noch so einfallen könnte, kommt hier nicht hinein! Selbst die Maus (aus der „Sendung mit der Maus“) durfte am Maus-Türöffnertag nicht mitfahren. Aber sie durfte ihren persönlichen Leihschein in die Kiste packen :-).
Tina Bode
Dr. Tina Bode ist Direktionsreferentin in der Deutschen Nationalbibliothek und Teil der Stabsstelle Strategische Entwicklungen und Kommunikation.
1 am Standort Leipzig; jährlicher Zugang gerechnet auf 246 Arbeitstage. Übrigens gibt es auch in Frankfurt am Main eine Buchtransportanlage. Während die Leipziger von der Buch- oder Büchertransportanlage sprechen, nennen die Frankfurter sie bevorzugt Förderanlage.
Sehr informativer Beitrag, vielen Dank