35 Jahre SDD – BSB München
Als Bibliothek mit den größten Altbeständen koordiniert die Bayerische Staatsbibliothek (BSB) den frühesten und längsten Zeitabschnitt: 1450-1600 für Inkunabeln und Drucke sowie Notendrucke bis zum Erscheinungsjahr 1800. Am Aufbau der Sammlung Deutscher Drucke (SDD) für dieses Zeitsegment sind sowohl die Abteilung für Handschriften und Alte Drucke sowie die Musikabteilung der BSB beteiligt.
Die Fragen wurden von den Referenten der SDD an der BSB beantwortet.
Was bedeutet die Sammlung Deutscher Drucke für Sie?
Die Sammlung Deutscher Drucke ist für die Bayerische Staatsbibliothek (BSB) ein großes Geschenk und eine einzigartige Gelegenheit, die Interessen und Kernanliegen des Hauses vertieft weiter zu verfolgen. Das Programm bietet die Chance, den Bestand kontinuierlich zu erweitern und genau die historischen Werke, die man in den Sammlungen der BSB erwarten würde, der Wissenschaft und Forschung zur Verfügung zu stellen.
Welche Meilensteine setzt Ihre Sammlung?
Bereits zu Beginn ihres Bestehens (1558) hat die Münchener Bibliothek einen Schatz an Inkunabeln und frühen Drucken des 16. Jahrhunderts erworben, nämlich die einzigartige Büchersammlung des Johann Jakob Fugger (1516-1575), in der zuvor schon die Bibliothek des Nürnberger Humanisten Hartmann Schedel (1440-1514) aufgegangen war. Über die Jahrhunderte wurde das Spektrum der Bibliothek bis heute um Zeugnisse des frühen Buchdrucks und weitere seltene Drucke der frühen Neuzeit, einer der spannendsten Epochen zwischen Humanismus, Reformation und Aufbruch in die Neuzeit, ergänzt und erweitert.
Auch die Sammlung der frühesten deutschen Notendrucke mit mehrstimmiger Musik ist einzigartig. Die starke physische Nutzung dieser frühesten gedruckten Notenausgaben ab etwa 1500 hat viele der in der Musikpraxis verwendeten Exemplare zum Verschwinden gebracht. So sind die Exemplare, die in den Humanisten-Sammlungen der Bibliothek als Studienobjekte enthalten waren, heute oftmals einzig noch in der BSB überliefert.
Die verteilte Nationalbibliothek – was assoziieren Sie damit?
Gerade im Sammelprogramm SDD ist Zusammenarbeit und das koordiniertes Vorgehen wichtig: Die Konzentration auf das zugewiesene zeitliche Segment und die zu sammelnden Medienarten (z.B. in der BSB: Notendrucke bis 1800) in den verschiedenen SDD-Institutionen gewährleistet eine zielorientierte und lückenlose Erwerbungstätigkeit in Deutschland. Gemeinsam können wir das Ziel einer möglichst vollständigen Sammlung deutscher Drucke erreichen.
Welche Balance finden Sie zwischen physischer und digitaler Sammlung?
Die BSB hat ihre Sammlung alter Drucke inzwischen fast lückenlos digitalisiert und in ihrer Digitalen Bibliothek zur Verfügung gestellt. Auch Neuerwerbungen aus diesem Zeitsegment werden zeitnah durch das Münchener DigitalisierungsZentrum (MDZ) digitalisiert und präsentiert. Ein großes Plus der Digitalisierung ist die Bereitstellung der Images im IIIF-Standard, über den einerseits der Volltext des Objekts mittransportiert wird und andererseits eine unbeschränkte und unkomplizierte Einbindung in andere digitale Umgebungen und eine tiefere wissenschaftliche Nutzung ermöglicht wird.
Wie sieht ein Buch von 2089 (100 Jahre SDD) aus, was muss es haben?
Eine Gegenfrage: Wird es denn das gedruckte Buch im herkömmlichen Sinn noch geben? Wir meinen: Ja, doch wird sich die Funktion dieser Medienart mit Sicherheit verändern – ganz wie beim ersten Medienwandel, dem Übergang von der Handschrift zum gedruckten Buch ab dem 15. Jahrhundert. Wir beobachten aber, dass das analoge, gedruckte Buch durch neue mediale Techniken erweiterbar ist und die Zukunft möglicherweise neue Medienarten hervorbringen wird, die wir jetzt noch nicht kennen. Das Buch wird in der Lage sein, alle menschlichen Sinne anzusprechen.
Dr. Claudia Bubenik und Dr. Sabine Kurth
Die Kolleginnen der Bayerischen Staatsbibliothek (BSB) in München: Dr. Claudia Bubenik, Abteilung für Handschriften und Alte Drucke, und Dr. Sabine Kurth, Musikabteilung, im Lesesaal der Musikabteilung. Foto: BSB/ÖA