Metadaten auf Reisen
Die TARDIS bringt uns wohlbehalten von Washington D.C. über den Großen Teich zurück nach Frankfurt am Main, und wir gönnen ihr eine Pause zur Rekonvaleszenz ihrer Schaltkreise. Köstlicher Kaffeeduft schwebt durch unser Zeit-und-Raumschiff, vermischt mit dem der mitgebrachten leckeren Bagels. Für unser nächstes Abenteuer bleiben wir zuhause und zeichnen auf der Landkarte eine kleine historische Reise der Metadaten durch die Bibliothekslandschaft nach.
So pendeln wir auf der Karte von good old Germany zwischen Frankfurt und Leipzig und den beiden Häusern der Deutschen Nationalbibliothek, dem ehrwürdigen Steingemäuer aus dem Jahr 1912 und dem modernen Glas-Beton-Vulkansteingebäude von 1997.
In die Ära der Zettelkataloge sind wir bereits gereist, mit Blick auf ihre Entstehung und die Regelwerke, die wir Bibliothekar*innen für die Metamorphose von Daten in bibliothekarische Metadaten brauchen. Auf welchen Wegen und mit welchen anderen Transportmitteln aber kamen die Metadaten schließlich bei den Universitäts-, Spezial-, Staats- und Stadtbibliotheken, den Archiven, Dokumentationsstellen und Privatnutzern, an? Die Metadaten der DNB (damals: Deutsche Bücherei in Leipzig) erschienen erstmals am 03. Januar 1931 in der Deutschen Nationalbibliografie – in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, als die Welt noch hoffte, niemals wieder vom Grauen eines „Great War“ heimgesucht zu werden.
Eine Nationalbibliografie ist ein Verzeichnis von Literaturnachweisen aus einem bestimmten Land oder einem Sprachraum und spiegelt oft die Sammlung der Bibliothek wieder. Meist sind es Nationalbibliotheken wie die DNB, die eine Nationalbibliografie erstellen. Sinn und Zweck einer Nationalbibliografie ist es, zumindest das Spektrum der Region abzubilden, über aktuelle Neuerscheinungen zu informieren, und auch die „graue“ Literatur, wie Forschungsberichte, die wir nicht an prominenter Stelle in der Auslage einer Buchhandlung finden, sichtbar zu machen.
Mit Papier und Kleber
Die Deutsche Nationalbibliografie wurde als Heft gedruckt und mit der Post an ihre Abonnenten verschickt. Es gab zwei Heftausgaben – eine beidseitig und eine einseitig bedruckte. Letztere nannte man Bibliotheksausgabe, in ihr waren die Metadaten der Bücher und anderen Medienwerke nur auf einer Seite abgedruckt. Die Rückseite blieb frei, damit man die einzelnen Aufnahmen ausschneiden und auf Kärtchen kleben konnte, um sie in den eigenen Bibliothekskatalog einzusortieren. Dieses mühsame, und recht pappige, Verfahren löste der Titelkartendienst ab. Im Jahr 1937 verschickte die Deutsche Bücherei die erste fertige Titelkarte per Post. Wie viel einfacher war es doch, bedruckte Aufnahmen säuberlich ohne den Umweg mit Schere und Kleber in den eigenen Zettelkatalog einzusortieren! Die Frankfurter Bibliothek stellte die Titelkärtchen ab 1972 im Lichtsatzverfahren selbst her, zuerst für den eigenen Bedarf, dann für immer zahlreichere Bibliotheken. Der TISEL genannte Titelkartendienst rockte, besonders ab 1990, als das gesamte wiedervereinigte Deutschland mit Daten beliefert werden konnte.
Fun fact: die letzte Titelkarte dieses überraschend langlebigen Dienstes wurde im Jahr 2013 verschickt!
Metadata goes digital
Im Lauf der Zeit nutzen die Metadaten nicht nur Papier als Transportmittel in die Bibliothekswelt, sondern stiegen auch auf andere physische Erscheinungsformen um. Gleich mit dem Einzug der elektronischen Datenverarbeitung in den 1960er Jahren stellte sich die Idee der zentralen Katalogisierung durch die Nationalbibliothek und der Übermittlung und Nachnutzung der maschinenlesbaren Daten für die Bibliotheksverbünde(ten) auf digitale Füße. Die zeitaufwändige Arbeit in den Bereichen Bucherwerb (Literaturauswahl und Bestellunterlage) und Katalogisierung (Datenübernahme und Weiterverarbeitung) verringerte sich dadurch in erfreulichem Maß. Die Datenträger, auf denen die Metadaten reisten, waren ab 1977 Magnetbänder, DAT-Bänder und später Magnetbandkassetten, von 1991 bis 2008 Disketten (für unsere jüngeren Leser*innen: die Diskette hat sich in Form des Icons für „Speichern“ auf Microsoft-Computern verewigt!) und von 1989 bis 2009 CD-ROMs und DVDs.
Mit der weltweiten Öffnung und Nutzung des Internets wanderten die Metadaten nicht nur auf physischen Datenträgern auf altbewährten Pfaden, sondern flossen auch trägerungebunden durch digitale Datenströme. Davon berichten wir in unserer nächsten Reiseetappe von – Mit Metadaten durch Zeit und Raum.
Ein kleiner Fun Fact bis dahin: Wissen Sie, warum sich Titelkärtchen noch heute großer Beliebtheit bei Bibliothekar*innen erfreuen? Nein? Dann plaudern wir aus dem bibliothekarischen Nähkästchen und verraten Ihnen, dass sie sich aufgrund der Festigkeit ihres Papiers und der unbedruckten Rückseite hervorragend als Notizzettel eignen. Gab es einen Fehldruck oder Dubletten, lassen sie sich dank ihres schnittigen Formats von 12,4 x 7.5 cm prima in Zettelkästen einsortieren oder als Lesezeichen in Bücher einlegen … sehr praktisch, haptisch und von einem Hauch Nostalgie umweht.